So kam der Mensch auf den Hund
Daß der kriecherische Sklave, der verdammte Eindringling, ihm
nun die Gunst seiner kleinen Herren abspenstig machte, kränkte und ärgerte ihn berechtigterweise fürchterlich. Meine eindringlichen,
an beide Hunde gerichteten Drohungen verhinderten zunächst einen Kampf, wobei mir die wenig angriffsfreudige Stimmung des
Neuankömmlings zustatten kam. Doch war mir ob dieser Erwerbung keineswegs wohl. Das dicke Ende blieb auch nicht aus. Ich oblag
gerade auf dem kleinsten Orte des Hauses einem friedlichen Geschäfte, als mich die Geräusche eines Hundekampfes und die entsetzlich
gellenden Hilferufe meiner kleinen Agnes aufschreckten. Mit hängenden Textilien raste ich die Treppe hinab vor das Haus und
sah dort die beiden Hunde erbittert kämpfend ineinander verbissen und
unter
ihnen hervorlugend – die Beinchen meiner Tochter! Ich packte mit je einer Hand einen Hund am Nacken und riß die Tiere mit
übermenschlicher Anstrengung auseinander, um Agnes zu befreien. Sie lag auf dem Rücken – und hatte ebenfalls je eine Hand
in das Fell eines Hundes verkrallt. Wie sie mir nachher erzählte, hatte sie, auf dem Boden sitzend, beide Hunde gleichzeitig
gestreichelt, in der Meinung, sie miteinander versöhnen zu können. Natürlich hatte dies den gegenteiligen Erfolg gehabt, die
beiden Rüden waren einander über den Körper des Mädchens hinweg an die Gurgel |59| gefahren. Agnes hatte versucht, die Kämpfenden zu trennen, und hatte auch dann nicht losgelassen, als sie von den Hunden niedergeworfen
und mit den Füßen getreten worden war. Daß einer von ihnen ihr etwas hätte tun können, war ihr nicht einmal für den Bruchteil
einer Sekunde in den Sinn gekommen!
|60| Ratschläge für die Anschaffung
Wahl macht bekanntlich Qual: Zu welcher der vielen Hunderassen soll man sich entschließen? Vorerst muß man sich darüber klarwerden,
was man von seinem Tier erwartet. Um Rat gebeten, kann man ihn nur erteilen, wenn man den betreffenden
Menschen
genau kennt. Ein krasses Beispiel: Ein recht sentimentales, vereinsamtes altes Fräulein, das für sein großes Liebes- und Pflegebedürfnis
ein Objekt sucht, hätte gewiß wenig Freude an dem zurückhaltenden Wesen eines Chows, der für Streicheln und körperliche Berührung
kaum Sinn hat und die heimkehrende Herrin nur mit herablassendem, hoheitsvollem Schwanzwedeln begrüßt, anstatt, wie andere
Hunde, freudig an ihr emporzuspringen. Wer das Sentimentale, Anschmiegsame im Wesen eines Hundes sucht, wer Hunde liebt, die,
den Kopf auf das Knie des Herrn gelegt, stundenlang in Anbetung versunken, aus treuen Bernsteinaugen zu ihm aufblicken können,
dem rate ich zu einem Gordon Setter oder zu einer ähnlichen langhaarigen und hängeohrigen Rasse. Mir persönlich sind diese
sentimentalen Hunde zu traurig. Wir modernen Menschen, mit unseren Sorgen und der schrecklichen Drohung der Atomwaffe, haben
leider gute Gründe, traurig zu sein. Der ständige Kontakt mit einem Wesen, das konstitutionell zu ebensolcher Stimmungslage
neigt und dessen Gegenwart im Zimmer sich von Zeit zu Zeit durch ein tiefes, wenn auch sanftes Aufseufzen bemerkbar macht,
ist deshalb für viele von uns nicht sehr wünschenswert. Gerade die lustige oder traurige Stimmung eines Freundes beeinflußt
die eines anderen in hohem Maße; ein Mensch mit guter Laune und vitaler Lebensfreude ist eine sehr reale Quelle der Energie
und des Mutes für seine Umgebung. Und das kann ein lustiger Hund merkwürdigerweise auch sein. Ich glaube, daß die große Beliebtheit,
deren sich ausgesprochen komische Hunderassen erfreuen, zum erheblichen |61| Teil dem Bedürfnis nach Aufheiterung entstammt. Die bezwingende Komik eines Sealyhamterriers, gepaart mit treuer Liebe zum
Herrn, kann für einen Menschen, der zu traurigen Stimmungen neigt, wirklich eine seelische Stütze bedeuten. Wer müßte nicht
lächeln, wenn ein solcher vor Lebenslust strotzender Bursche auf seinen viel zu kurzen Beinen, den »Gehwarzen«, wie eine mir
bekannte Sealyhambesitzerin sie nennt, herangesprungen kommt und mit unendlich dumm-schlauem Gesicht, schief gehaltenem Kopf,
einen Pantoffel im Maul, zu seinem Herrn erwartungsvoll aufblickt und ihn zum Spiele auffordert?
Wer nicht nur einen persönlichen Freund, sondern auch ein Stück unverfälschter Natur sucht, dem rate ich zu einem Hund von
grundsätzlich anderer Art. Aus eben diesem Grunde bevorzuge ich Rassen, die der Wildform nicht allzu ferne stehen.
Weitere Kostenlose Bücher