So kam der Mensch auf den Hund
erwachsenen Hunde ein Fehler, beim
jungen Tier hingegen durchaus normal und keineswegs tadelnswert.
Hieraus ergibt sich die für den Hundekäufer unangenehme Tatsache, daß man es dem verspielten kleinen Welpen nicht ansehen
kann, ob er ein Kalfakter werden oder mit zunehmender Reife Fremden gegenüber die nötige Zurückhaltung gewinnen wird. Es empfiehlt
sich daher, Hunde solcher Rassen, bei denen sich diese Zurückhaltung spät entwickelt, erst im Alter von fünf oder sechs Monaten
zu kaufen. Dies gilt besonders für Spaniels und andere langohrige Jagdhunde, während Chows in dieser Hinsicht sehr frühreif
sind und schon mit acht oder neun Wochen wesentliche Charakterunterschiede zeigen. In allen Fällen aber, in denen man die
Gefahr des »carattere calfacteristico« ausschließen kann, sei es, daß die betreffende Rasse nicht dazu neigt, sei es, daß
man die Eltern gut kennt, rate ich jedem, seinen Hund so früh wie |66| möglich zu kaufen. So früh wie möglich heißt hier: sobald man den Hund ohne Schaden von seiner Mutter entwöhnen kann. Für
kleinere, rascher reifende Hunde würde ich dieses Mindestalter mit acht, für größere mit zwölf Wochen ansetzen. Da ein sehr
junger Hund etwas ungemein Süßes ist, besteht für Menschen, die, wie ich selbst, von der Natur mit einem starken Pflegetrieb
bedacht wurden, die erhebliche Versuchung, das Hundekind allzufrüh zu sich zu nehmen. Die Freude an der Kinderpflege ist dann
zwar sehr groß, man bezahlt sie aber später unweigerlich mit der traurigen Erkenntnis, daß der eigene Hund zu einem weit weniger
gesunden und kraftstrotzenden Tiere herangewachsen ist als seine Geschwister, die ursprünglich durchaus nicht kräftiger waren,
aber der Kraftquelle der Muttermilch länger teilhaftig geblieben sind. Diese Warnung ist um so mehr am Platze, als dem Züchter
im Interesse der Hundemutter und der zunächst noch bei ihr verbleibenden anderen Kinder verständlicherweise daran gelegen
ist, einige Welpen so früh wie möglich loszuwerden. Nimmt man aus irgendwelchen zwingenden Gründen trotz diesen Erwägungen
einen Hund sehr früh zu sich, dann darf man auf keinen Fall mit wirklich gutem Futter, vor allem nicht mit Milch und Fleisch
sparen, auch ist für genügend Kalkzufuhr und antirachitische Medikamente zu sorgen.
Überhaupt soll man der Fütterung eines jungen Hundes mehr Sorgfalt zuwenden, als dies meist geschieht. Vornehmlich Hunde großer
Rassen bedürfen reichlicher Fleischmengen, sollen sie zu tadellosen Exemplaren heranwachsen. Die weitverbreitete Meinung,
daß Küchenabfälle unter allen Umständen ausreichen und »Suppe« ein nahrhaftes Hundefutter sei, ist krasser Irrglaube. Darum
sieht man in privaten Händen nur selten Doggen, Bernhardiner oder Neufundländer, die für den Eingeweihten nicht unverkennbare
Merkmale von Unterernährung während ihrer Jugend zurückbehalten hätten. Unsere Warnungen sollen jedoch keinesfalls davon abschrecken,
die Aufzucht des eigenen Hundes selbst durchzuführen und möglichst früh zu beginnen. Dadurch wird nicht |67| nur das Tier fester an seinen Herrn gebunden, sondern auch dessen Liebe zum Hunde wird ungleich größer sein, wenn man sich
beim Anblick des schönen erwachsenen Tieres an all die Mühen erinnert, die es gekostet hat. Solche Erinnerungen sind schon
ein Paar zerkaute Pantoffel und einige Flecken auf dem Parkettboden wert.
Schließlich noch einen guten Rat, der meinem persönlichen Geschmack entspringt und den man daher nach Gutdünken annehmen mag
oder nicht: Man schaffe sich möglichst eine
Hündin
an! Gewiß, zweimal jährlich verursacht ihre Läufigkeit lästige Scherereien; auch gibt es, hat man nicht zufällig einen gleichrassigen
Rüden im Hause, fast unfehlbar früher oder später einen Wurf rasseloser Kinder, für die, will man sie nicht umbringen, auskömmliche
Stellungen schwer zu finden sind. Doch werden mir alle Hundekenner beistimmen, daß jeder Mensch, welcher einen Hund seiner
seelischen Eigenschaften wegen hält, die Hündin dem Rüden vorziehen soll. Zuzeiten wohnten in unserem Hause in Altenberg vier
Hündinnen: meine Schäferhündin Tito, die Chowhündin meiner Frau, die Dackeline Kathi meines Bruders und eine Bulldogge, die
meiner Schwägerin gehörte. Nur mein Vater hatte einen Rüden, der schwer zu tun hatte, um immer wieder die unwillkommenen Freier
aus unserem Garten fernzuhalten. Einstmals waren zwei dieser Hündinnen,
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