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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Mandant schon beantwortet«, rief Bonenfant und stand auf.
    »Sie müssen auf die Frage verzichten, Mister Aquinas«, sagte Richterin Jefferson.
    Als Georges Blick das Publikum streifte, sah er, daß mehrere Zuhörer sich mit Rasierklingen die Adern aufgeschlitzt hatten. Ihr schwarzes Blut dampfte und bildete in hohen, triefnassen Buchstaben den Satz INTELLIGENTE SPRENGKÖPFE SIND EINE SCHWACHSINNIGE IDEE.
    »Sie müssen sich gefreut haben, als Sugar Brook Hauptlieferant für die Lachhabicht-Anti-Raketen-Raketen geworden ist«, mutmaßte Aquinas.
    »Na klar. Ich meine, wir standen ja in mörderischem Konkurrenzkampf mit dem Winco-Konzern und dem Kombinat MARS Integral.«
    »Und als die Lachhabicht-Rakete produktionsreif war, haben Sie mit Champagner gefeiert?«
    »Ja sicher.«
    »In Newsweek konnte man lesen, Sie hätten ›auf eine miese Nacht im Kreml‹ getrunken.«
    »In Wirklichkeit ›auf eine schlaflose Nacht im Kreml‹.«
    »Im Washingtoner Weißen Haus haben Sie keine schlaflosen Nächte vorausgesehen?«
    »Ich kann Ihrer Logik nicht folgen.«
    »Nun, jede stationierte Lachhabicht-Rakete hätte ja Rußlands Vergeltungsschlagskapazität weiter eingeschränkt, bis gar keinerlei gegenseitige Abschreckung mehr existiert hätte. Infolge der Befürchtung, daß Amerika einen Erstschlag plante, hätte Rußland den Erstschlag zuerst führen können.«
    »Als Amerika das Atommonopol hatte, hat es doch auch keinen Erstschlag geführt.«
    Aus den Akten der Verteidigung suchte Aquinas einen Schnellhefter und legte ihn in Randstables Schoß. »Ich möchte Sie auf Dokument Vierhundertsechsundsiebzig verweisen, die Studie ›Einschätzung der Auswirkungen der strategischen Luftoffensive auf die UdSSR‹ aus dem Jahre 1949. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, geht diese Studie von siebzig Zielgebieten auf dem Territorium der damaligen Sowjetunion aus, also vom umfassenden atomaren Bombardement einer ganzen Nation, praktisch ihrer vollkommenen Auslöschung.«
    »Das ist lange her.«
    »Für mich ist alles lange her, Dr. Randstable. Keine weiteren Fragen.«
    Der Ingenieur schlurfte zurück zur Anklagebank. »Na«, fragte er, »wie lautet Ihre Einschätzung?«
    »Sie haben ihm richtig ordentlich Saures gegeben«, sagte Wengernook.
    »Ich glaube«, sagte Henker, »wir stehen ganz hervorragend da.«
    »Die Sache mit dem Embryo ist mir unklar geblieben«, gab George zu.
    *
    Während der Mittagspause – die Angeklagten konnten zwischen Mörderwalspieß und gekochter, aber kalter Raubmöwe wählen – zeigte Randstable ihm ein paar Schach-Eröffnungen und regte ihn danach zu einem Spiel an, ließ ihn den Anfang machen und schlug dafür einen Zug mit dem Turm vor. Seit der Mittelschule hatte George nicht mehr Schach gespielt, aber er dachte sich, es wäre vielleicht lustig, dabei jemandem zu unterliegen, der einen russischen Großmeister geschlagen hatte.
    Als nächsten nahm man Pastor Sparren ins Kreuzverhör. Mit einer Stimme, deren Lautstärke in jeden Eisspalt und jede Eisritze drang, selbst solche, die noch nie ein Wort aus Menschenmund vernommen hatten, schilderte der Prediger dem Tribunal, wie er, während er früher als Halbwüchsiger ›in einem ekelhaften Pfuhl der Drogen und der Unzucht‹ gesteckt hätte, eines Abends in die Pornovideosammlung seiner Eltern gegriffen und versehentlich eine Bibel in die Hand bekommen hatte. Er fing darin zu lesen an. Und hatte sie nicht mehr weglegen können. Ein Jahr später besuchte er das Theologische Seminar Coral Gables. Ehe das Jahrzehnt herum war, hatten seine Kabelfernsehauftritte höhere Einschaltquoten als – mit Ausnahme der Spätsendereihe Erotik um elf – sämtliche anderen Sendungen, und er war jüngster Vorsitzender des angesehenen, rechtskonservativen Komitees zur Bekämpfung des Bösen geworden.
    »Der Mann macht mich nervös«, sagte Wengernook.
    »Nein, nein, es ist gut, daß wir ihn dabeihaben«, entgegnete Henker. »Wir brauchen eine religiöse Komponente.«
    »Ihr Bestseller Christen trotzen dem Erstschlag enthüllt«, sagte Bonenfant, »daß sich zur Jahrtausendwende gewisse biblische Prophezeiungen bewahrheiten. Wie weit stimmen Ihre Auslegungen mit dem kürzlichen, russisch-amerikanischen Konflikt überein?«
    »Die hebräischen Propheten hatten bis ins letzte recht.« Der Prediger zurrte den Reißverschluß seiner ARES-Montur auf und holte die kleine Bibel aus seiner Anzugweste. »Wie Sie wissen, hat der Krieg den Jerusalemer Tempel zerstört, und das ist das

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