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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Woiziechowski.
    Damit sind wir schon zwei, dachte George. Damit sind wir vierhundert Millionen, sagten seine Spermatiden.
    Um die verschiedenerlei Bedeutungen der erwähnten Schadensbegrenzung zu erläutern, beanspruchte Wengernook einen Großteil des Vormittags. »Sie ersehen also, Hohes Gericht«, erklärte er zum Schluß, »daß es in dem schrecklichen Fall eines Scheiterns der Abschreckung wichtig ist, feindliche Ziele selektiv auszuschalten. Die Raketen müssen dem Gegner das Angebrachte mitteilen.«
    »Und was wäre die richtige Mitteilung?« fragte Richter Yoshinobu.
    »›Wir wollen euch nicht vernichten, wir wollen uns schützen. Darum bombardieren wir eure Raketensilos, eure Bomberflugplätze, U-Boot-Bunker und Sprengkopffabriken.‹« Wengernook tat einen langen Zug an seiner endlich entzündeten Zigarette. »Dadurch motiviert man den Gegner zum Verzicht auf einen Großangriff.«
    »Also ermöglicht so ein Konflikt in der Anfangsphase eine bessere Verständigung zwischen den Atommächten?« fragte Richterin Gioberti.
    »Falls je ein Krieg ausbricht – Gott behüte! –, sähen die Russen unverzüglich, daß sie durch ein Überschreiten der Schwelle chirurgischer Schläge nichts gewinnen könnten«, antwortete Wengernook.
    »Sie würden von einer Eskalation abgeschreckt?«
    »Genau. Ihre einzige Alternative wäre ein Friedensschluß.«
    Bonenfant ließ das Wort Friedensschluß einige Sekunden lang nachhallen und einwirken, dann konstatierte er, daß er keine weiteren Fragen zu stellen gedachte. Richterin Jefferson ordnete die Mittagspause an.
    »Ich bin froh«, sagte Henker, »daß er das Unmoralische angesprochen hat.«
    »Der Hinweis auf den Frieden als einzige Alternative war bestimmt auch gut«, sagte George.
    Seine Schußwunde pochte heftig, während er sich der Aussagen Viktor Seevogels zu entsinnen versuchte. War es ein kompliziertes Atomwaffentestverbot, das der Alte ausgehandelt hätte? Und er hatte irgend etwas über waffenfähiges Material geredet…
    »Staatssekretär Wengernook«, nahm nach der Mittagspause Aquinas das Kreuzverhör auf, »ist es zutreffend ausgedrückt, wenn ich sage, daß der amerikanischen Atomrüstung die Verteidigung Westeuropas am Herzen lag?«
    »Wegen der Überlegenheit der konventionellen Streitkräfte des damaligen Warschauer Pakts war die Stationierung taktischer Nuklearwaffen entscheidend für die Sicherheit der NATO.«
    »Manche Beobachter waren der Ansicht, daß die neuen Mittelstreckenraketen in Europa die Sowjetunion zur Festlegung auf das Alarmstartprinzip gezwungen haben.«
    »Dabei müssen Sie den Stabilisierungseffekt des Alarmstartprinzips berücksichtigen.« Wengernook schnippte seine Kippe fort, als wollte er einen Alarmstart demonstrieren. »Wenn eine Nation ihre Raketen in Alarmstartbereitschaft hält, fühlt ihre militärische Führung sich weniger bedroht.«
    »Weil sie weiß, sie kann ihre Raketenwaffen nicht durch einen gegnerischen Präventivschlag verlieren?«
    »Ja.«
    »Demnach verringert sich die Wahrscheinlichkeit, daß sie irgendwelchen Unsinn anstellt?«
    »Richtig.«
    »Wie einen Alarmstart?«
    »Ganz genau.«
    »Bitte erklären Sie dem Tribunal den Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen.«
    »Das war eine vorgeschlagene Doktrin, der zufolge die NATO nie als erste Seite Atomwaffen einsetzen sollte, nicht einmal, wenn sie durch die Panzerdivisionen des Warschauer Pakts eine vollständigen Niederlage zu erleiden drohte.«
    Aquinas entnahm dem Aktenstapel mehrere Schriftstücke. »Bei Durchsicht Ihrer Veröffentlichungen habe ich ersehen, daß Sie einem Erstschlagsverzicht ablehnend gegenüberstanden.«
    »Er hätte die Abschreckungspolitik in schwerwiegendem Maß unterminiert. Ich ziehe eindeutig eine Politik vor, die sagt: ›Die NATO wird nie Atomwaffen einsetzen, außer sie wird angegriffen.‹«
    »Mit konventionellen Waffen.«
    »Darüber hinaus bestand ja ein Glaubwürdigkeitsproblem. So ein Verzicht wäre ja sein Papier schon zu Anfang des sowjetischen Blitzkriegs nicht mehr wert gewesen.«
    »Falls ich Sie recht verstehe, war beim Erstschlagsverzicht die Problematik, daß er gerade unglaubhaft genug gewesen wäre, um den Gegner zum Großangriff zu verleiten, aber zu unglaubhaft, um einen Großangriff zu verhüten?«
    »Man soll dem Gegner die eigenen Absichten nie vorher bekanntgeben.«
    »Ist das die Überlegung, aufgrund der Sie in dieser Ausgabe der Vierteljahresschrift für Strategisches Denken, Dokument

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