So muss die Welt enden
auf groteske Weise kleiner, größer, dicker oder dünner machen kann, so ähnlich desorientierte George die Perspektive, die er im Zeugenstand hatte. Das Publikum, das ein zahmes, berechenbares Wesen vortäuschte, solange man es von der geschützten Anklagebank aus sah, wirkte jetzt wie ein wildes Raubtier. Die Richterinnen und Richter machten nun auf ihn einen entsetzlich feindseligen Eindruck. Der Gerichtsdiener schien sich schroff und unversöhnlich zu gebärden.
»Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt verdient?« fragte Bonenfant.
»Ich habe Grabmale beschriftet«, antwortete George. »Und welche verkauft.«
»Hat diese Berufstätigkeit irgend etwas mit der Landesverteidigung zu tun gehabt?«
»Nein.« So weit, so gut, dachte George.
Aus einem Aktenstapel in seiner Reichweite zog Bonenfant Dokument Neunhundertneunzehn. »Die seitens der Staatsanwaltschaft gegen Sie erhobene Anklage stützt sich offenbar allein auf diesen Abgabevertrag. Ist das da unten Ihre Unterschrift?«
»O ja.«
»Hat Theophilus Carter darauf bestanden, daß Sie den Vertragstext vor der Unterschriftsleistung sorgsam lesen?«
»Nein.«
»Haben Sie ihn genau gelesen?«
»Eigentlich nicht.«
»Dem Abgabevertrag zufolge soll Ihnen klar sein, daß die Verbreitung der ARES-Monturen Amerikas führende Politiker zu einer Politik des atomaren Abenteurertums verleitet.«
»Ich wußte nicht mal, was ›atomares Abenteurertum‹ heißen sollte. Ich weiß es heute noch nicht genau.«
»Haben Sie geglaubt, wie man dem Abgabevertrag entnehmen könnte, daß die ARES-Monturen die Bevölkerung von wirklich wichtigen Angelegenheiten ablenkt, den STIRB-Verhandlungen, dem HOPPEL-Plan, dem Erstschlagsverzichtvorschlag?«
»Bestimmt nicht.«
»Der Vertrag hat Ihnen schlicht und einfach gewisse Ansichten unterstellt, nicht wahr?«
Bei der Staatsanwaltschaft entstand Unruhe. »Die Unterstellung ist auf Mister Bonenfants Seite«, rief Aquinas.
»Bitte eine andere Frage«, sagte Richterin Jefferson zum Verteidiger.
»Um ehrlich zu sein, Hohes Gericht« – gemächlich kehrte Bonenfant an den Tisch der Verteidigung zurück –, »mein Mandant ist so offenkundig unschuldig, daß mir an ihn keine einzige Frage mehr einfällt. Sie dürfen das Kreuzverhör fortsetzen, Mister Aquinas.«
Während der Oberstaatsanwalt sich ihm näherte, fingen die Schmetterlinge in Georges Bauch an Larven hervorzubringen.
»Sie haben eben vor Gericht die Einlassung geäußert«, lautete Aquinas Einleitung, »daß Sie unter anderem mit dem Verkauf von Grabsteinen betraut gewesen sind.«
Guter Gott, hat er mich schon überführt? Nein, ich habe Grabsteine verkauft. »Stimmt.«
»War es Ihre Gewohnheit, Kunden Kaufverträge ohne zuvoriges Durchlesen unterzeichnen zu lassen?«
»Nein.«
»Trotzdem verlangen Sie vom Gericht, Ihnen zu glauben, Sie hätten einen ARES-Montur-Abgabevertrag unterschrieben, ohne ihn vorher zu lesen?«
»Quer hab ich ihn mal durchgelesen. Kapiert hab ich ihn irgendwie nicht.«
»›Durch Unterzeichnung dieses Vertrags, der mich zum Erhalt einer kostenlosen ARES-Montur berechtigt, gestehe ich meine Komplizenschaft beim atomaren Wettrüsten.‹ Für mich ist das klipp und klar.«
Ein Geierexperte. Alles würde gut ausgehen, wenn nur ein Geierexperte aufkreuzte. »Es sind die übrigen Abschnitte gewesen, die mich verwirrt haben.«
»Verstehen Sie die Formulierung ›Komplizenschaft beim atomaren Wettrüsten‹, oder ist Sie Ihnen unverständlich?«
George ahnte, daß seine Stimme schwach und nach Niedergeschlagenheit klingen mußte. »Ich verstehe sie.« Und seine Stimme klang schwach und nach Niedergeschlagenheit. »Ich wollte bloß für mein Töchterchen ’ne ARES-Montur. Ist das denn so schlimm?«
Der Oberstaatsanwalt hielt den Vertrag mit ausgestrecktem Arm vor sich hin, als wäre das Papier mit etwas Ansteckendem verseucht. »Können Sie unsere Aufmerksamkeit auf eine einzige Handlung Ihrerseits lenken, die Zweifel des Tribunals an Ihrer groben Fahrlässigkeit begründen würden?«
»Also, das nicht unbedingt, nein. Aber Sie wissen doch durch Mister Carters Angaben, daß so gut wie jeder den Vertrag…«
»Hier steht nicht ›so gut wie jeder‹ vor Gericht.«
Mit vorsätzlicher Langsamkeit spazierte Aquinas um den Tisch der Verteidigung. George zuckte wie ein aufgespießter Falter.
»Ich wüßte gerne folgendes, Mister Paxton«, sagte der Oberstaatsanwalt schließlich. »Was halten Sie von Ihren Mitangeklagten?«
»Was ich von ihnen
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