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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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ist ohne jeden Grund geschehen.«
    Inzwischen war Aquinas zum Richtertisch gegangen und deutete nun auf die davor aufgereihten, kleinen Raketenmodelle aus Eis. »Wann sollte das Wettrüsten enden, Staatssekretär?« Er gab dem Gefrierarsenal einen Tritt. »Wann?«
    »Es war ein unbegründeter, naiver, sinnloser, rücksichtsloser und selbstmörderischer Überfall«, sagte Wengernook. »Jeder weiß, daß Kugelblitz-Marschflugkörper sich nicht für den Erstschlag eignen.«
    »Wann?« schrie Mutter Maria Catherine aus dem Publikum.
    »Wie oft kann man all diese Kriegspläne durchdenken, ohne den Drang zu verspüren, die ganze Angelegenheit endlich einfach hinter sich zu bringen?« wollte Aquinas wissen, trampelte unterdessen Tiefkühlraketen zusammen. »Wie viele Male kann man durch die Tür mit der Aufschrift ›Abschreckung‹ gehen, bis man schließlich in einem Betonbunker steht und Abschußtasten drückt?«
    Wengernook riß sich die Sonnenbrille herunter. »Ich begreife die gegnerischen Überlegungen bis heute nicht. Die Kugelblitz-Marschflugkörper sind Zweitschlagswaffen . Keine Erst schlagswaffen, Zweitschlagswaffen . Ist das endlich klar?«
    Während der folgenden zehn Minuten trat Aquinas Eisraketen nieder und rief rhetorische Fragen. Geduldig setzte Wengernook ihm auseinander, weshalb Kugelblitz-Marschflugkörper bei einem Erstschlag nutzlos seien, Mutter Maria Catherine ließ Luftballons steigen, auf deren Seiten sie WANN? gepinselt hatte, und Richterin Jefferson unternahm halbherzige Anstrengungen zur Wiederherstellung der Ruhe. Zuletzt verkündete der Oberstaatsanwalt mit verhärmter Miene, daß er keine weiteren Fragen an den Zeugen zu richten hatte.
    Zur Anklagebank zurückgekehrt, empfingen Wengernook seitens Henkers, Randstables, Overwhites und Sparrens herzliche Glückwünsche; man schüttelte ihm nachdrücklich die Hand. Wengernook kam zu George und klopfte ihm jovial auf die Schulter. »Diese Art von Zeugenaussage muß für Sie ja furchtbar nach Fachchinesisch klingen, hm?« fragte der Staatssekretär.
    »Ich habe Sie nicht beantworten hören, wie oft Sie durch die Tür mit der Aufschrift ›Abschreckung‹ gehen können«, antwortete George. Seine Bemerkung fiel im Ton schärfer aus, als er es beabsichtigte, aber während er auf seine Stimme lauschte, schwanden seine Bedenken. »Das Publikum war zu laut.«
    »Landesverteidigung ist wahrlich eine schwierigere Aufgabe, als ein paar Worte auf ’n Grabstein zu meißeln, verdammt noch mal«, erwiderte Wengernook durch zusammengebissene Zähne. Ein mit WANN? beschriebener Luftballon prallte vom Panzerglasschutz der Anklagebank ab. »Sie machen morgen Ihre Aussage, oder? Denken Sie daran, wir stehen hundertprozentig hinter Ihnen.«

 
KAPITEL 15
     
    Worin unser Held erfährt, daß ein Mensch auf Erden weniger Schuld als er trug

Georges Spermatiden zitterten, während der Verteidiger seinen Tisch verließ und die mittmorgendliche Trübnis durchmaß. So schlimm wird es schon nicht, tröstete George seine Spermatiden. Ich brauche denen bloß klarzumachen, daß ich mit Intelligenten Sprengköpfen, Schadensbegrenzung und allem anderen nie irgend etwas zu tun gehabt habe.
    »Die Verteidigung ruft George…« Und schon fand Bonenfants Versuch, das Kreuzverhör einzuleiten, ein vorzeitiges Ende.
    »Nein!« piepste aus dem Hintergrund des Gerichtssaals eine George bekannte Stimme. »Die Verteidigung ruft mich in den Zeugenstand.«
    Theophilus Carter trampelte, während er nach vorn schwankte, sich einen Becher mitbrachte, in dem Tee dampfte, auf mit WANN? beschriftete Luftballons. Seine ARES-Montur hatte ein Rautenmuster, wie es sonst ein Harlekinkostüm aufwies, und an seinem Koppel hingen diverse Dolche und Pistolen insgesamt beträchtlichen Gewichts aus den Requisitenregalen seines Wahnsinnssonderangebote- Ladens. »Normalerweise bewaffne ich mich nicht so schwer«, sagte er, schlürfte zwischendurch Tee, »aber ich habe gehört, hier sollen Kriegsverbrecher anwesend sein. Sagen Sie, müßte jemand mich nicht auffordern, den Hut abzunehmen?« Mit bekleckertem Zeigefinger deutete er auf Richterin Jefferson. »Sind nicht Sie dafür zuständig?«
    »Was Sie mit Ihrem Hut machen, ist mir egal, Sir«, entgegnete sie. »Kann irgendwer mir verraten, wer das ist?«
    »Dr. Theophilus Carter, Annullierten-Schneidermeister und -Erfinder«, sagte Aquinas und stand auf. »Er ist von uns damit beauftragt gewesen, uns Dokument Neunhundertneunzehn mit Bezug auf den

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