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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Knie.
    »Mister Aquinas«, fragte Richterin Jefferson, »sind Sie damit einverstanden, auf das Kreuzverhör der Zeugin zu verzichten?«
    »Eine Frage würde ich ihr gerne stellen«, antwortete der Oberstaatsanwalt.
    »Na gut«, sagte Morning. »Eine.«
    Aquinas trat auf einen mit WANN? bemalten Luftballon und näherte sich dem Zeugenstand. »Falls ich Ihre Einlassungen richtig aufgefaßt habe, Dr. Valcourt, sind Sie während der gesamten, siebenwöchigen Fahrt der Donald Duck, vormals New York City, von den Vereinigten Staaten zur Antarktis an Bord des U-Boots gewesen. Wie ich Ihrer Aussage gleichfalls entnommen zu haben glaube, ist der Angeklagte George Paxton im Laufe dieser Zeitspanne durch Sie einer Reihe vertraulicher, psychotherapeutischer Sitzungen unterzogen worden. Davon ausgegangen, daß Sie der Richtigkeit dieser Tatsachenbehauptungen zustimmen, lautet meine Frage: In welchem Umfang ist Ihr Verhältnis zum Angeklagten intim geworden?«
    Die nichtschwangere künftige Mutter schnitt eine leicht ungnädige Miene und straffte ihre Haltung. »Ich habe weder jetzt eine intime Beziehung zum Angeklagten«, sagte sie, »noch habe ich je eine zu ihm gehabt.«

 
KAPITEL 16
     
    Worin eine wichtige Frage ihre Antwort findet und etwas ähnliches wie Gerechtigkeit geübt wird

»Das Tribunal wird nun das Schlußplädoyer der Anklage anhören«, erklärte Shawna Queen Jefferson.
    Aquinas verließ seinen Platz, schritt auf den Richtertisch zu und blieb stumm vor den Richtern stehen.
    »Vor fünfzehn Milliarden Jahren«, fing er das Plädoyer an, »begann die Existenz des Kosmos. Kein Mensch weiß genau, wie oder warum, auch unsere besten Annullierten-Wissenschaftler oder -Geistlichen wissen es nicht.« Er verschlang die Arme auf dem Rücken und umrundete den Berg zersprungener Eisraketen. »Vor ungefähr dreieinhalb Milliarden Jahren ereignete sich ein zweites Wunder. Auf einem Planeten, der Erde, bildeten sich organische Moleküle. Ob das gleiche Wunder auf irgendeinem anderen Planeten geschehen ist, wissen wir nicht. Es spricht sehr vieles dagegen, daß so etwas sich überhaupt zuträgt, aber andererseits auch sehr vieles dafür.«
    »Wenn er beim Urschleim anfängt«, meinte Wengernook, »kommt er frühestens in einer Woche auf uns zu sprechen.«
    »Halten Sie den Mund«, sagte Overwhite.
    »Organismen entwickelten sich«, sagte Aquinas. »Große Affen bevölkerten die Erde. Einige dieser Affen waren Fleischfresser, vielleicht sogar Kannibalen. Es ist wahrscheinlich, daß die menschliche Rasse von zweibeinigen, bewaffneten Primaten abstammt, die kleine Hirne hatten, gleichzeitig jedoch eine ausgeprägte Begabung zum Morden.«
    George fiel auf, daß Pastor Sparren aussah, als stünde er unmittelbar vor einem Schlaganfall.
    »Haust in uns eine angeborene Aggressivität?« fragte Aquinas. »War der Mißstand des atomaren Wettrüsten Symptom einer tiefersitzenden Erbsünde? Niemand weiß es. Aber selbst wenn es so gewesen ist – und ich vermute es –, dann liegt die Verantwortung für das, was wir Unmenschlichkeit zu nennen belieben, dennoch in unseren blutbesudelten Händen. Die Mörderaffen-Hypothese bestimmt kein Schicksal voraus, sie gibt einen Rückblick, den man wie eine Fabel verstehen muß. Seid auf der Hut, warnt sie uns. Vorsicht. Es droht Gefahr. Hier sind Massenvernichtungswaffen in den Händen von Geschöpfen, die sich im Frieden langweilen.«
    »Ich glaube, ich muß kotzen«, sagte Henker.
    »Aber die Fabel ist nicht beachtet worden, und die Waffen hat man nicht beseitigt. Und so kam dann zur kalten Weihnachtszeit der Tod über eine bewundernswerte Spezies, eine Spezies, die Sinfonien komponierte, aus der Leonardo da Vinci hervorging, die zu den Sternen geflogen wäre. Es hätte nicht so kommen müssen. Um es zu vermeiden, wären nur drei Tugenden vonnöten gewesen: Kreative Diplomatie, technische Innovatitivität und moralische Empörung. Ab davon am bedeutsamsten stufe ich die Fähigkeit zu moralischer Empörung ein.«
    »So ein selbstgerechter Friedensengel wie er hätte das alles am dringendsten gebraucht«, polemisierte Henker.
    »Und zwar nicht zu knapp«, stimmte Wengernook zu.
    »Halten Sie den Mund«, sagte Overwhite.
    »Im Laufe der vergangenen zwanzig Tage ist uns in den heiligen Hallen dieses Justizpalasts eine seltsame Welt beschrieben worden«, rief Aquinas. »Eine Welt, in der man Gefahr als Sicherheit verniedlicht, Vernichtungswillen als Strategie verharmlost, Angriffsabsichten als

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