Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
ihn mit geeigneten antibiotischen Seren. Sie führten seinem Arm einen Schlauch ein und versahen ihn mit einem neuen Grundstock weißer Blutkörperchen. Alle zwölf Stunden badeten sie ihn in antiseptischen Lösungen, schamponierten ihn alle vierundzwanzig Stunden mit Chlorhexidin-Gluconat und schnitten ihm jeden zweiten Tag die Finger- und Zehennägel.
    Bis ans Lebensende verfolgte George die Befürchtung, die Schauer der Gammastrahlen könnten in seinem Körper die Anlagen zu Gott weiß welchen Leiden verursacht haben, aber die Marine verübte nichts Unrechtes, als sie ihn zu guter Letzt für gesund erklärte. Sein Fieber verflog, ihm wuchs neues Haar, das rotbläuliche Gesprenkel heilte, seine Mandeln schrumpften gesund, das Wasser wich aus den Lungen, das Zahnfleischbluten endete, sein Blutbild ergab zum Schluß nur noch mustergültige Resultate. Die Pfleger versicherten ihm, er hätte nur ganz wenig Fallout eingeatmet, und infolge seiner frühzeitigen Bergung aus dem Zielgebiet – dank Operation Erebus – beliefe seine additive Strahlungsdosis sich auf deutlich unter dreihundert Rad.
    »Ungefähr zweihundertachtzig Rad, wenn Sie’s genauer wissen möchten«, sagte der Bordarzt, ein Oberleutnant zur See namens Brust. »Sie sind prachtvoll in Form, glauben Sie mir. Nur eine Kleinigkeit konnten wir nicht beheben.«
    »So?« meinte George.
    »Ihre sekundären Spermatozyten wandeln sich nicht in Spermatiden um.« Dr. Brust war ein kleiner, rundlicher Mann mit dermaßen unpassend ausgezehrtem Gesicht, daß es schien, als ernährte es sich durch eine eigene Hungerdiät. »Schuld ist die Strahlung.«
    »Worauf wollen Sie hinaus?« fragte George.
    »Sie sind steril geworden«, antwortete Dr. Brust in sachlichem Ton.
    »Steril?«
    »Zeugungsunfähig. Wie ein Muli.« Schwarze Flecken tupften Brusts Arztkittel. »Ich kann mir nicht denken, daß Ihnen das momentan allzu viel ausmacht.«
    »Meine Frau und ich hatten vor, noch ein…« George schloß die Augen.
    »Sind Sie über Ihre Frau nicht informiert worden?«
    »Doch.« Als George die Augen wieder aufschlug, sah er nur Tränen.
    »An Ihrer Stelle würde ich mich wegen der Keimdrüsen wirklich mit keinen Gedanken plagen«, sagte Dr. Brust. »Sie haben Glück, daß Sie noch leben.«
    Man verlegte George aus der Strahlenschäden- Behandlungsabteilung ins normale Krankenrevier.
    »Sind Sie aufgrund der McMurdo-Sund-Konvention hier?« erkundigte sich der Patient im Nachbarbett, eine hochaufgeschossene, zappelige Bohnenstange von Mann mit so eindringlichem Gesichtsausdruck, daß George ihm nicht in die Miene schauen konnte, ohne zu zwinkern.
    »Ja. George Paxton. Sie auch?«
    »Ich stehe ganz oben auf der Liste. Ich täte Ihnen gern die Hand schütteln, mein Freund, aber ich hab ein Katheder an mir hängen.«
    »Ich auch.«
    »Je von Robert Wengernook gehört?«
    »Kenn ich Sie nicht aus ’m Fernsehen?«
    »Ach, schon wieder das«, sagte Wengernook in gespieltem Unmut. »Ich vertrete hier das Scheiß-Pentagon, aber jeder sieht in mir sich bloß den Burschen, der Reklame für die ARES-Anzüge gemacht hat. Mein Hobby ist es, beim Verteidigungsministerium Staatssekretär für Internationale Sicherheitsangelegenheiten zu sein.«
    »Meine Frau wäre immer gern in einer ARES-Monturen-Werbesendung aufgetreten. In der mit dem weiblichen Ritter.«
    »Tatsächlich? Ihre Frau war das? Die Welt ist wahrhaftig klein.«
    »Nein, sie hätte gerne mitgewirkt. Sie wäre auch die richtige Person gewesen, Justine war nämlich sehr schön, das hat jeder gesagt. Ein Sprengkopf soll sie erwischt haben.«
    »Sie müssen mir glauben, George, ich bin wirklich der Überzeugung gewesen, die Monturen hätten einen Nutzen.« Wengernook verknotete die ruhelosen Finger zu kniffeligen Plastiken. Seine auffällig lange Zunge schnellte ihm öfters aus dem Mund und zurück hinein, ähnlich wie bei einem Chamäleon. »Wahrscheinlich war das ’ne Hinterlist der Japaner, um’s uns heimzuzahlen.«
    »Hiroshima?«
    »Ich dachte eher an Importquoten.« Wengernook zündete sich eine Zigarette an und verhauchte Qualm. »Herrgott, es ist alles so grauenvoll. Man sollte meinen, auf ’m U-Boot gäb’s kaum irgend was, das jemanden an seine Familie erinnert, aber das stimmt nicht. Sobald ich einen Feuerlöscher sehe, muß ich an den denken, den ich zum letzten Weihnachtfest Janet geschenkt habe. Man sollte nicht glauben, daß ein Feuerlöscher mit so tiefer Emotionalität besetzt sein kann.«
    »Ich würde mich

Weitere Kostenlose Bücher