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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Sterns.
    George kauerte sich unter dem Periskop aufs Gesäß und keuchte vor sich hin. »Wir sind fertig?« fragte er; es war eine halbe Frage, halb eine Feststellung.
    »An diesem nicht rückgängig zu machenden Zeitpunkt der Weltgeschichte lebt nirgendwo mehr ein Mensch – mit der geringfügigen und fragwürdigen Ausnahme dieses U-Boots.«
    Der Einsiedlerkrebs hatte seine Schneckenschale verlassen. Er bestand nur noch aus einem zittrigen Klumpen weichen Protoplasmas. »Niemand kann mehr auf einem elektrischen Pferd reiten.«
    »Stimmt.«
    »Oder den Großen Wagen betrachten.«
    »Richtig.«
    »Oder Schauspielunterricht nehmen.«
    Nun weinte er maßlos, ohne daß er hätte angeben können, ob er die vielen Tränen um Justine vergoß, um Holly, um den Franzosen, der die Kartoffel ausgebuddelt hatte, den iranischen Lehrer, den von Läusen übertragener Typhus dahingerafft hatte, oder um die letzte Frau der Erde…
    Morning kniete sich neben ihn, während er seiner Trauer ihren Lauf ließ. Sie drückte ihn, tupfte ihm die Tränen ab.
    Er erwiderte ihre Umarmung. Seine Schußwunde pochte in einem Takt, als wäre sie eine in seinem Bauch implantierte Kastagnette. Er faßte, als wollte er die Beschwerden durch Handauflegen lindern, unter sein Hemd; seine Finger berührten Glas, und langsam zog er seinen Leonardo hervor.
    »Schauen Sie sich das an«, sagte er, leckte sich Tränen vom Mund. »Das bin ich. Und da sind Sie. Und das ist unser Kind.«
    »Ich verstehe Sie nicht. Sind Sie auch Kunstmaler?«
    »Ich habe das Bild schon mal erwähnt. Leonardo da Vinci war der Maler. Sie wissen ja, der Mann mit dem Geier-Komplex.«
    »Eine Fälschung, habe ich recht?«
    »Es ist ein Original-Leonardo. Der geniale Prophet Nostradamus hat ihn dazu inspiriert. Es zeigte die Zukunft. Sehen Sie selbst. Das Kind wird Hollys Halbschwester. Sie werden die Mutter sein.«
    Morning nahm die Glasmalerei in die Hand. Die Scheibe spiegelte ihr Helligkeit in die blaugrünen Augen. »Diese Person sieht tatsächlich wie ich aus. Wie gespenstisch.«
    »Das sind Sie.«
    »Und das Kind…?«
    »Wäre Justine zum zweitenmal schwanger geworden, hätten wir das Kind Aubrey genannt. Haben Sie schon mal ’n Kind gehabt?«
    »Nein.«
    »Kinder stellen echt allerhand erstaunliche Sachen an.«
    »Ich bin nie verheiratet gewesen. Aubrey?«
    »Aubrey Paxton.«
    »Hübscher Name.«
    »Und wir werden noch mehr Kinder haben. Aubreys Brüder und Schwestern. Holly hatte sich immer ein Schwesterchen gewünscht.«
    »Wie kann denn jemand Kinder in…?«
    »In diese Welt setzen? Kann sein, ich kapiere keinen Deut von Psychologie oder Sonnentod-Syndrom, Dr. Valcourt, aber eins hab ich in der Grabmalwerkstatt Crippen gelernt: Unsere Kinder leben in jeder Welt, die sie erben können.«
    »Sie sind zeugungsunfähig.«
    »Es besteht Grund zu der Hoffnung, daß das kein dauerhafter Zustand ist.«
    »Als nächstes behaupten Sie wohl, es stünde in Ihrer Macht, zum Stifter einer Wiederbegründung der Menschheit zu werden.«
    Justine Paxton hatte ihrem Mann öfters vorgeworfen, er hätte zuwenig Ehrgeiz. Sie sollte hören, dachte George, was ich nun zu sagen habe. »Vielleicht kriegen wir’s hin.« (Vielleicht schafften sie es wirklich!) »Ist ja möglich, wir haben’s mit einer der unerwarteten Atomkriegsfolgen zu tun, von denen Sie immer reden. Ihre Fruchtbarkeit ist…?«
    »Ich wüßte von keinen Problemen.« Morning hob das Bild an, fuhr mit den Fingerkuppen über die flachen Höcker und Furchen der Farbe. »Woher haben Sie das Ding?«
    »Von einer zivilen Passagierin. Nadine Covington. Sie hat schwarzes Blut.«
    »Schwarzes?«
    »Es ist schwarz wie Tinte.«
    »Ich bezweifle, daß man sie als glaubwürdig einstufen kann.«
    »Ich vertraue ihr.«
    Beide standen sie auf, ohne ihre Arme zu entwirren. Nochmals umfingen sie sich. George nahm seinen Leonardo. Die Formulierung ›Wiederbegründung der Menschheit‹ klang ihm noch in den Ohren, als er sich verabschiedete. Erkennst du es jetzt, meine arme, hingemordete Justine? Du hast doch keinen Faulenzer geheiratet.
    *
    Korvettenkapitän Olaf Sverre
Kapitän des U-Boots
Donald Duck (ehedem SSBN 713 New York City der Kriegsmarine der Vereinigten Staaten)
gibt sich die Ehre
Mr. GEORGE PAXTON zu einem
Festbankett
am 29. Januar um 20 Uhr
ins Offizierskasino einzuladen
    *
    Die Ausrottung der eigenen Rasse ist kein leicht begreiflicher Vorgang. Nur indem er immer wieder – für sich allein – Periskop Nummer I benutzte, gelang es

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