Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
Henker hämisch. »Die Einsätze bitte. Bube.«
    »Einen Dollar«, sagte Overwhite.
    »Ich passe«, nuschelte Wengernook.
    »Ich erhöhe«, sagte Randstable.
    »Morning hat mir gezeigt…«, setzte George noch einmal an.
    »Am besten stimmen wir ab«, meinte Henker. »Wer von den Anwesenden möchte hören, was Paxton heute durchs Periskop gesehen hat?«
    Niemand meldete sich. Henker teilte eine zweite Runde Karten aus. »As.«
    »Wir haben’s selber gesehen«, sagte Wengernook, bibberte dabei wie ein überzüchtetes Hündchen. »Guter Gott…«
    »Das Bundesforschungslabor Sugar Brook hat das Periskop konstruiert«, plauderte Randstable, dem es gelungen war, sechs Poker-Chips auf ihre Kante zu stellen. »Aber nicht meine Abteilung… Die Leutchen für Führungs- und Befehlsinfrastruktur.«
    »Drei Dollar«, sagte Overwhite, langte unter die Schlinge und tastete seine Achselhöhle nach Tumoren ab.
    »Ich habe ’ne Frage.« George nahm die Joker, wetzte sie aneinander wie Rasiermesser und Streichriemen. »Wenn Amerika und Rußland über das Sonnentod-Syndrom Bescheid wußten, weshalb haben Sie dann Pläne für verschiedene Angriffsarten und so was ausgearbeitet?«
    »Na, Sie müssen sich verdeutlichen, daß die Sonnentod-Theorie auf einem unvollständigen Modell der Erdatmosphäre beruht«, sagte Henker und biß die Zähne zusammen, als hätte er starke Schmerzen. »Alles hängt von der Größe der Staubteilchen, der Höhe der Rauchsäulen, der Stärke der Regenfälle und ähnlichen Faktoren ab.«
    »Man muß die Sonnentod-Theorie mit Vorsicht genießen«, sagte Wengernook, klaubte Zigaretten und ein Zündholzheftchen mit einer schlüpfrigen Abbildung aus seinem Hemd. »Das ist eine reichlich weithergeholte Idee.«
    »Aber der Sonnentod-Effekt hat stattgefunden«, widersprach George. »Hier auf unserem Planeten.«
    »Das ist ein reiner Sonderfall«, entgegnete Wengernook. Er entzündete ein Streichholz. »Bei anderem Kriegsverlauf wären weniger städtische und industrielle Ziele getroffen worden. Weniger Brände wären ausgebrochen, weniger Ruß wäre entstanden, folglich wäre das Sonnentod-Syndrom ausgeblieben, und, und, und…« Er versuchte die Streichholzflamme ans Vorderende seiner Zigarette zu halten, aber schaffte es nicht.
    »As«, sagte Henker.
    »Und zu guter Letzt hätten wir ein erheblich wünschenswerteres Ergebnis gehabt«, resümierte Wengernook.
    »Ich hab’s«, rief Randstable. Er riß George einen Joker aus der Hand und legte ihn auf die sechs senkrecht aufgestellten Chips.
    »Was haben Sie?« wollte George erfahren.
    »Die Lösung«, sagte Randstable.
    »Für den Krieg?« fragte George.
    »Des Rätsels.« Der Joker wackelte auf seinen Plastikstützen.
    »Welchen Rätsels?«
    »Sverres Rätsels. Warum ein Rabe wie ein Schreibtisch ist.«
    »Warum denn?«
    »Ein Rabe ist wie ein Schreibtisch«, sagte das Ex-Wunderkind, während sein kleines Brückchen umstürzte, »weil Poe über den einen ebenso geschrieben hat wie über den anderen.«
    *
    Auf und ab, kreuz und quer wanderte die junge Schwarze an der Küste ihres tropischen Privatparadieses entlang. Der Strand gleißte von Gefunkel, als müßte der Sand sich in zierliche Kristallgefäße umformen. In den durch die Gezeiten zurückgelassenen Tümpeln leuchteten spitze Scherben des Sonnenlichts. Das Meer ringsum glich einem flüssigen, blauen Edelstein.
    Die Frau war ungefähr dreißig. Sie war nackt. Ihre wunderbare Haut hatte die Farbe und Lebendigkeit heißer Schokolade. Als sie stehenblieb und einen tiefen, ergiebigen Atemzug nahm, schwebten ihre herrlichen Brüste geradezu wie mit Helium gefüllte, anläßlich eines großen sportlichen oder politischen Siegs gestartete Ballons aufwärts. George hielt sie für die begehrenswerteste Frau, die er je vor Augen bekommen hatte.
    In der Nähe eines Banyanbaums lag halb bedeckt ein Stück Seil am Strand. Die Frau grub es aus. Sandkörner stoben umher und glitzerten im Sonnenschein wie Funkenflug. Die Frau drehte das Seil in den Händen, schuf daraus ein furchtbares Gebilde. Ihre Verzweiflung knüpfte mit geschickten Fingern eine Schlinge.
    George versuchte, die Augen vom Periskop zu nehmen, aber konnte den Griff der eigenen Fäuste nicht lockern.
    Die letzte Frau der Erde ging zu dem Baum, warf das Seil über einen Ast, während Wellen ans Ufer brandeten und in den Strandtümpeln die Sonne leuchtete, und erhängte sich; ihr Schatten, der auf dem Sand hin- und herhuschte, hatte die Umrisse eines

Weitere Kostenlose Bücher