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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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hatte – Ingenieure, Techniker, Politiker, Wissenschaftler –, an diesem Tag der Arbeit fernzubleiben. Sie wären von uns gebeten worden, am nächsten Tag Entschuldigungsschreiben ihrer Mütter mitzubringen.«
    »In denen gestanden hätte…?«
    »›Mein Kind konnte gestern nicht zur Arbeit kommen, weil ihm davon übel war, bis zum Hals in der Scheiße zu stehen.‹«
    »Sie haben wirklich etwas gegen Atomwaffen, nicht wahr, Mutter Maria?«
    »Das kann man wohl sagen.«
    »Ich habe keine Fragen mehr.«
    Im Publikum entfaltete man ein weiteres Transparent: SPRECHT MUTTER MARIA CATHERINE HEILIG.
    »Also, Kameraden, was halten Sie denn von der Schreckschraube?« fragte Henker.
    »Sie hat nichts dahergeredet«, antwortete Sparren, »was wir nicht alle irgendwann schon einmal gehört hätten.«
    »Außer dem Heuler über Ihre Wahl zum Präsidenten«, sagte Wengernook.
    »Man weiß nie«, entgegnete Sparren, »wozu ein Christ im Laufe des Lebens berufen wird.«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte George.
    »Meine Stimme hätten Sie gekriegt«, versicherte Henker.
    Den Mund zu einem enorm herzhaften Schmunzeln verzogen, stapfte Bonenfant, ein Funkeln in den Augen, zum Zeugenstand.
    »Wenn er schlau ist, geht er rücksichtsvoll vor«, meinte Wengernook. »Nonnen genießen allgemeine Sympathie.«
    »Sie ist Geistliche«, korrigierte ihn Randstable.
    »Sie befindet sich auf geradem Weg in die Hölle«, sagte Sparren.
    »Sie ist eine Annullierte«, schnaubte Overwhite. »Sie ist längst in der Hölle.«
    »Sagen Sie mir, Miss Catherine«, fing der Verteidiger das Kreuzverhör an, »was glauben Sie, wie Ihre verschiedenen Mätzchen in Moskau aufgenommen worden wären?«
    »Keine Ahnung.«
    »Die Greise im Kreml hätten sich bestimmt über eine amerikanische Vizepräsidentin, die zu ARSCH-Verhandlungen und dergleichen Unfug aufruft, köstlich amüsiert.«
    »Ich wäre nie im Kreml gewesen.«
    »Offensichtlich nicht. Aber wenn Sie in Rußland einen Tag der Scham initiiert hätten, wäre er dann am selben Tag wie in Amerika zu veranstalten gewesen? Oder hätten Sie etwa vergessen, in Rußland zu einem Tag der Scham aufzurufen?«
    »Ich hätte das Anliegen gehabt, die amerikanische Öffentlichkeit über die Absurditäten der…«
    »Bitte beantworten Sie ganz einfach meine Frage. Haben Sie in Rußland die Initiative für einen Tag der Scham ergriffen, oder nicht?«
    »Nicht.«
    »Jetzt hat er sie in der Zange«, freute sich Henker.
    »Nonnen bringen’s auf Dauer eben nicht«, meinte Wengernook.
    »Sie ist Geistliche«, sagte Randstable.
    »Sicherlich ist Ihnen klar«, rief Bonenfant, »daß Ihre pazifistischen Ideen« – das Wort pazifistisch begleitete er mit einem hämischen Grinsen – »im Widerspruch zur Lehre der katholischen Kirche vom gerechten Krieg stehen. Hätten Sie nicht lieber als Quäkerin geboren werden müssen?«
    »Meiner Meinung nach hätte ich als erstes überhaupt einmal geboren werden sollen.«
    »Wären Sie tatsächlich von Ihrem Amt zurückgetreten, Miss Catherine, oder hätte Präsident Sparren Sie zum Rücktritt aufgefordert?«
    »Ich wäre zurückgetreten. Ich hätte bekanntgegeben, daß ich keiner Regierung mehr angehören möchte, die auf zum Völkermord bestimmten Waffen schläft.«
    Die Weise, wie Pastor Sparren seine Erbitterung mit einem breiten, liebevollen Lächeln bezwang, beeindruckte George tief.
    »Ich kann mir vorstellen, daß die Russen Ihren Rücktritt außerordentlich bedauert hätten«, polemisierte Bonenfant. »Keine weiteren Fragen.«
    »Gestalten wie sie sind uns in Washington ständig über den Weg gelaufen«, erzählte Wengernook. »Fortwährend haben sie nach Frieden geschrien, als wären wir mitten im Krieg gewesen. Nonnen kann man einfach nicht mit Logik kommen.«
    »Sie ist Geistliche«, sagte Randstable.
    »Jefferson hat die Faxen allmählich dicke, meinen Sie nicht auch?« fragte Wengernook.
    »Der ganze Scheißrichtertisch hat das Hickhack inzwischen satt«, behauptete Henker.
    Gedehnt seufzte George vor Erleichterung auf: Als Unitarier hatten Katholiken ihm seit jeher Gruseln eingeflößt – das viele Blut, das aus Jesus’ Handtellern rann! –, ein wenig hatten sie stets wie Aliens auf ihn gewirkt. Es hätte wesentlich schlimmer sein können.
    *
    Am darauffolgenden Morgen kündete ein stellvertretender Staatsanwalt dem Tribunal an, die Anklage gedächte nun ›eine neue Kategorie von Indizien‹ zu ›präsentieren‹. Es sei ihre Absicht, den Richtern ›Modelle eben

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