Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
Vom Netzwerk:
Henker.
    »Eindeutig ein Plus für uns«, meinte Wengernook.
    »Ganz klar«, sagte auch George.
    Nach der Mittagspause rief Aquinas eine zwergige Frau mit rosigem Gesicht, die eine schwarze ARES-Montur mit Klappkragen trug, in den Zeugenstand. Sie war ein richtig putziges Mausepummelchen.
    »Eine Asphaltbombe?« Henker zeigte sich befremdet. »Diese kaputte Kartoffel will man gegen uns ausspielen?«
    »Eindeutig ein Akt der Verzweiflung«, bemerkte Wengernook.
    Auf ein Exemplar der Douaier Bibelfassung beschwor die Zeugin ihre Wahrheitsliebe und gab an, Mutter Maria Catherine zu sein.
    »Hätten Sie Einlaß ins Leben erhalten, wären Sie dann katholische Priesterin geworden?« fragte Aquinas.
    »Ja.«
    »Katholische Priesterinnen waren früher eine ausgesprochen Seltenheit.«
    »Die Zeiten ändern sich.«
    »Wären Sie gleichfalls Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten geworden?«
    »Ja, wäre ich.«
    »Und Sie hätten Ihr Amt vor dem regulären Ablauf Ihrer Amtszeit niedergelegt?«
    »Beim Antritt des zweithöchsten Amte der Nation hätte ich in meinem Herzen ein Geheimnis bewahrt.« Mutter Maria Catherines hohe, kratzige Stimme klang nach der Tonspur eines der ersten Tonfilme Hollywoods. »Ich hätte schon von Anfang an gewußt, daß ich kurz nach meiner Wahl wegen der Verteidigungspolitik des Präsidenten zurücktreten müßte.«
    »Und wer wäre dieser Präsident gewesen?«
    »Er sitzt da auf der Anklagebank – Pastor Kiefer Sparren.«
    Unwillkürlich fiel Georges Blick auf den genannten Angeklagten. Durch die Enthüllung seiner Eventualernennung zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika fühlte Sparren sich so geschmeichelt, daß er abwechselnd grinste und Fratzen schnitt.
    Mutter Maria Catherine wandte sich dem Richtertisch zu, zwinkerte keß zu den Richterinnen und Richtern hinauf. »Zögern Sie nicht, diese Pfeife streng zu bestrafen. Er ist der Ansicht, die christliche Gesinnung eines Volkes ließe sich am Umfang seines Atomwaffenarsenals messen.«
    Nun machte Sparren ein Gesicht wie ein Bub, der in die Hose pinkelt.
    »Ich protestiere!« schrie Bonenfant, indem er hochfuhr wie eine Rakete. »Die Zeugin macht keine Aussage, sondern äußert Beleidigungen!«
    Während Richterin Jefferson die Stenografinnen anwies, Maria Catherines letzte Bemerkung aus dem Protokoll zu streichen, sah man der Miene des Staatsanwalts eine Spur von Bedauern an. Er übertünchte seinen Verdruß mit einem Lächeln. »Vor Ihrem Rücktritt«, sagte er, »hätten Sie Ihre Position auf unorthodoxe Weise genutzt.«
    »Halten wir uns doch an die Tatsachen, Mister Aquinas, ich wäre ’ne Witzfigur gewesen.«
    »Manche Ihrer Aktivitäten…«
    »Schaunummern. Es wären nur Schaunummern gewesen.«
    »Hätten Sie nicht ein recht bemerkenswertes Rüstungsbegrenzungsabkommen vorgeschlagen?«
    »Ich hätte versucht, ARSCH in die Wege zu leiten, den Atomare-Rüstungs- Schlußphasenplan.« Maria Catherine faltete die Hände und senkte sie wie ein strammes, kleines Bündel in den Schoß. »Die Idee wäre gewesen, die Atommächte jedes noch so aberwitzige Waffenarsenal anhäufen zu lassen, wie sie wollten, aber mit der Vorgabe, daß sie, sobald sie fertig sind, sofort alles einer beim anderen eintauschen. Es gäbe, hätte ich argumentiert, keine schnellere Methode zur Entschärfung der Atomsprengköpfe.«
    »Außerdem hätten Sie vorgehabt, Völkermordverhütungszentren einzurichten.«
    »Vierundzwanzig Stunden am Tag besetzte Telefonanschlüsse. Wenn ein Raketeningenieur den Drang verspürte, ein greuliches neues Waffensystem auszuhecken, hätte er das nächste Völkermordverhütungszentrum angerufen, und man hätte versucht, es ihm auszureden.«
    »Bitte informieren Sie uns über Ihr Vorschulermächtigungsgesetz.«
    »Wäre es verabschiedet worden, hätte das Pentagon keinen neuen Raketen- oder Bombertyp in Auftrag geben dürfen, ohne daß man vorher einem per Los aus einem Washingtoner Kindergarten ausgewählten, vierjährigen Vorschulkind die Vor- und Nachteile erläutert hätte. Das vierjährige Kind hätte über die Einführung der Waffe die Entscheidung gehabt.«
    Ein Dutzend Zuhörer stemmten ein riesiges Transparent in die Höhe. MUTTER MARIA CATHERINE WIR LIEBEN DICH, hieß der Text.
    »Ich möchte«, sagte Aquinas, »daß das Tribunal auch von Ihrem bundesweiten Tag der Scham erfährt.«
    »Das wäre in Wahrheit ein Einfall meines Mannes gewesen. Wir hätten jeden aufgefordert, der irgendwie mit Atomwaffen zu schaffen

Weitere Kostenlose Bücher