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So muss die Welt enden

So muss die Welt enden

Titel: So muss die Welt enden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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aristokratischen Mann namens Viktor Seevogel in den Zeugenstand. Er zeichnete sich durch die Art von Stattlichkeit aus, die man nur in fortgeschrittenem Alter erreichen konnte, die Ansehnlichkeit eines fest- und tiefverwurzelten Baums oder einer antiken Standuhr.
    »Mister Seevogel, Ihrem Erinnern zufolge wären Sie der amerikanische Hauptverhandlungsführer der sogenannten Einstein-Verträge gewesen?« fragte Aquinas.
    »Das stimmt«, bestätigte der Zeuge.
    Wallungen des Wohlbefindens durchkribbelten George, als befände er sich in Gegenwart Nadine Covingtons.
    »Zur Zeit des atomaren Holocausts«, sagte Aquinas, »fiel die atomare Abrüstung in die ausschließliche Zuständigkeit der STIRB-Unterhandlungen, der vom Angeklagten Overwhite betriebenen Strategischen, Taktischen und Interkontinentalballistischen Rüstungs-Begrenzungsverhandlungen. Hätte die Einstein-Konzeption diese Initiativen fortgesetzt?«
    »Hinters STIRB-Konzept hätten wir einen endgültigen Schlußpunkt gemacht«, antwortete Seevogel. »Es war rundum Bockmist«, fügte er leutselig hinzu.
    »Das ist seine Meinung«, nuschelte Overwhite.
    »Einstein Eins hätte die Anti-Satelliten-Waffen geächtet«, sagte Seevogel. »Einstein Zwo hätte ein umfassendes Atomtestverbot betroffen. Einstein Drei wäre eine Erweiterung des 1968er Atomwaffensperrvertrags geworden. Einstein Vier wäre ein Moratorium hinsichtlich der Massierung von Sprengköpfen und landgestützten Raketen gewesen. Einstein Fünf hätte die Produktion des für Atomwaffen erforderlichen, spaltbaren Materials gestoppt. Einstein Sechs hätte die Beseitigung des atomaren Waffenarsenals vorgeschrieben. Wissen Sie, unser grundsätzliches Ziel wäre es…«
    »Moment mal«, unterbrach ihn Richterin Gioberti. »Wollen Sie damit sagen, Sie hätten die Atomwaffen abgeschafft?«
    »Hm-hm«, machte Seevogel.
    Spontan, aber vollkommen synchron beugten die Richterinnen und Richter sich an ihren Plätzen vor.
    »Dieser Vertrag dürfte außergewöhnlich schwierig zustandezubringen gewesen sein«, mutmaßte Richter Woiziechowski.
    »Es wäre ein schwerer Brocken gewesen«, sagte Seevogel.
    »Hätte die Etaterhöhung dabei geholfen?« fragte Aquinas.
    »Das Budget der amerikanischen Abrüstungs- und Rüstungsbegrenzungsbehörde hat traditionell immer nur ein Zehntausendstel des Verteidigungshaushalts betragen«, antwortete Seevogel. »Aber bei Beginn der Einstein-Sechs-Verhandlungen verfügten wir schon fast über soviel Geld, wie das Verteidigungsministerium in der Portokasse hatte.«
    »Manchen von uns kommt es etwas verwunderlich vor«, sagte Richter Woiziechowski, »daß die Russen einen derartigen Vertrag unterschreiben sollten.«
    »Ich glaube, sie hätten dafür wirtschaftliche Gründe gehabt. Sie waren zu pleite, um sich noch am Wettrüsten beteiligen zu können.«
    Im Verlauf der nächsten vier Stunden erläuterte Seevogel die Details der Atomwaffen-Abschaffungsdiplomatie: Vertragliche Verpflichtung der Atommächte, Verbot der Atomwaffentechnik, Abrüstungs-Terminpläne, dazugehörige Kontrollmaßnahmen.
    »Was die Kontrollmaßnahmen angeht«, sagte Aquinas, »könnte ich mir vorstellen, daß es einiges Kopfzerbrechen gebraucht hätte, um verläßliche Verfahren auszuarbeiten.«
    »Guter Gott, ja, erinnern Sie mich bloß nicht daran.« Als Seevogel lächelte, fühlte George sich erneut in Emanationen des Wohlwollens einbezogen. »Aber natürlich fällt die Überwachung bei vollständiger Abrüstung insofern leichter, als schon die Sichtung eines einzelnen verbotenen Waffensystems einen Vertragsverstoß ausreichend beweist.«
    »Trotzdem kann keine Überwachung vollkommen sein«, schränkte Richterin Gioberti ein.
    »Deshalb wären die Raumforts stationiert worden«, antwortete Seevogel. »Mit Partikelstrahlern bewaffnete Raumstationen, denen es möglich gewesen wäre, Raketen während des Starts zu vernichten. Einstein Sechs hätte den Atommächten die Entwicklung dieser Systeme – neben sprengkopflosen Anti-Raketen-Raketen und bodengestützten Luftabwehrlasern – ausdrücklich nahegelegt.«
    »Wie ich mich entsinne«, sagte Aquinas, »hätte Amerika dabei die Führung übernommen.«
    »Die russischen Raumforts hätten sich als unzuverlässig herausgestellt, also wäre uns nichts anderes übrig geblieben, als ihnen ein paar Prototypen zu liefern.«
    »Sagen Sie mir, ob ich Sie richtig verstanden habe«, bat Richterin Gioberti. »Sie hätten den Russen die Technik für Raumforts

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