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So nah am Leben

So nah am Leben

Titel: So nah am Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inaqiawa
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eines mit einem eigenen Bad gibt.
    Es gibt ungefähr zwanzig Betten in den anderen Zimmern, und sie rechnet sich ihre Chancen aus, wann sie dann wohl zum Duschen kommen würde oder die einzige Toilette mal frei sein wird. Sie entscheidet sich für das Einzelzimmer mit Bad.

    Der Innenhof liegt im Schatten, und sie wundert sich, daß sie hier keine Pilger antrifft. Vier Fahrradpilger stellen gerade ihre Fahrräder ab und bestellen sich etwas zum Trinken.
    Ansonsten herrscht absolute Menschenleere. Dafür macht der Fernseher in der Bar um so mehr Lärm. Die Sitte hier in Spanien, den Fernseher von morgens bis abends lautstark laufen zu lassen, ist wirklich äußerst gewöhnungsbedürftig. Nach einer halben Stunde hält sie den Geräuschpegel nicht mehr aus und flüchtet in die kleine Kirche, die gerade ihre Tore geöffnet hat. Hier kann sie durchatmen — hier ist es still und friedlich.
    Sie sitzt wie immer in der ersten Reihe, ganz dicht am energetischen Geschehen. Eine alte Frau — wieder sieht sie hier nur alte Menschen — hat sich an einen kleinen Tisch am Ausgang gesetzt und das Pilgergästebuch aufgeschlagen. Sie kramt ihr Stempelkissen und den Stempel hervor und wartet darauf, die kleinen Spenden für ihre Dienste entgegenzunehmen.

    Aber so weit ist Samantha noch nicht. Sie möchte erst einmal die verdiente Ruhe nach ihrer Flucht vor dem Fernseher genießen. Es dauert ein bißchen, bis es wieder ruhig in ihr wird.
    Es war ein angeregter und streckenweise auch unterhaltsamer Tag. Und so sehr sie sich heute morgen noch Gesellschaft gewünscht hat, so sehr sehnt sie sich jetzt nach Ruhe und Abgeschiedenheit. „Once in a while...“ — und dann erst wieder viel, viel Ruhe.

    Während ihre Gedanken noch bei der Begegnung mit den dreien weilen, fällt ihr wieder das Thema Identifikation und die letzte offene Frage dazu ein.
    Was macht uns außer den diversen Aspekten unserer Identifikation aus? Wenn wir all jenes, was im weißen Laken verschwunden ist, lediglich haben, aber nicht sind, was bleibt dann übrig? Wer oder was sind wir dann? Und wer oder was ist dann das weiße Laken? Ist dieses Etwas der Behälter für die Aspekte oder erzeugt es diese womöglich?
    Samantha zerbricht sich den Kopf, aber alles, was ihr in den Sinn kommt, sind weitere Dinge, die ins Laken gehören. Sie gehören ins Laken, sind aber nicht das Laken selbst.

    Es kommt ihr so vor, als wäre dieses rätselhafte Etwas „etwas-los“, weil es kein Ding sein kann, sonst würde es ja ins Laken gehören. Wie sagte die Frau heute morgen ? „Da haben Sie sich ja schwierige Themen ausgesucht!“
    Um sich nicht weiter im Kreis zu drehen und ihren Verstand nicht überzustrapazieren, beschließt Samantha, das, was außerhalb ihrer Identifikation liegt, für heute das „etwaslose Etwas“ zu nennen und morgen weiter darüber nachzudenken.

    Die dicken Steinmauern der Kirche halten die Wärme des Sommers ab, und Samantha fängt an, in dem alten Gemäuer zu frösteln. Nun steht sie vor der Entscheidung, entweder zu frieren oder sich dem Lärm des Fernsehers auszusetzen. Landschaftlich geben dieser Ort und seine Umgebung nichts her, deshalb entscheidet sie sich für ihr Zimmer. Wenn sie früh schlafen geht, kann sie auch früh aufbrechen.

    Das Fenster ihres Zimmers geht zum Innenhof hinaus. Mittlerweile haben sich die Einheimischen dort eingefunden. Irgend etwas scheint es zu feiern zu geben, und zwar mit Kind und Kegel und sehr lautstark. Samantha schließt ihr Fenster in der Hoffnung einzuschlafen, aber das nützt nicht viel. Stunde um Stunde vergeht und sie wälzt sich von einer Seite auf die andere. Irgendwann müssen die Kinder doch auch mal ins Bett! Es ist mitten in der Woche!
    Keine Chance — an Schlaf ist nicht zu denken. Endlich hört sie Stimmen, die so klingen, als würden sie sich voneinander verabschieden. Es ist inzwischen halb eins. Dann merkt sie, daß sich die Gesellschaft nur aus dem Innenhof in die Barräume zurückzieht, die unmittelbar unter ihrem Zimmer liegen und einen Fliesenboden haben. Samantha stöhnt auf und merkt, wie immer mehr Unwille in ihr aufsteigt. Sie will jetzt schlafen!

    Sie ist ohnehin etwas verstimmt, weil sie inzwischen festgestellt hat, daß sie die einzige Pilgerin hier im Hause ist. Sie hat den völlig überteuerten Preis für das Einzelzimmer gezahlt, obwohl sie alleine ist. Der Wirt hat sie mächtig übers Ohr gehauen. Wahrscheinlich denkt er sich jetzt noch seinen Teil.
    Es dauert noch zwei Stunden,

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