So nicht, Europa!
und Ganleys Firma Rivada Networks dafür eine Auszeichnung erhielt.
In der Lesart seiner Gegner machten ihn solche Geschäftsbeziehungen zu einer Marionette der Neocons. Der Bundesnachrichtendienst
in Berlin forderte sogar einen Bericht über Ganley an, weil er den Verdacht eröffnet sah, »fremde Mächte« würden in Europa
tätig. Als würde der U S-Geheimdienst einen antieuropäischen Einflussagenten auf dem Flugzeugträger Irland postieren, um den Lissabon-Vertrag zu kippen.
Mit solchen abenteuerlichen Spekulationen kaschierten die Lissabon-Befürworter ihre eigene Schwäche. Sie hatten keine Antwort
auf die Frage zu bieten, die Ganley jenseits seiner populistischen Spins aufwarf. Sie lautete, wie sich Zweck und Ziel des
immer mächtiger werdenden Gebildes Europa den Europäern in ein paar verständlichen Sätzen erklären ließen. Das politische
Establishment erweckte den Eindruck, die Bedenken der Bürger weder gehört noch verstanden zu haben. Wie stark lässt sich die
demokratische Legitimationskette zwischen Bürger und Politiker strapazieren? Wohin bewegt sich diese EU? Soll sie ein föderales
Gebilde werden? Wollen wir das tatsächlich? Libertas versuchte, mitunter durch provokative Halbwahrheiten über den Lissabon-Vertrag,
der Regierung nichts anderes als volksnahe Grundsatzdiskussion aufzuzwingen.
Mit ebensolcher Hartnäckigkeit weigerten sich die E U-Regie rungen im Vorfeld des irischen Referendums, auf diese Grundsatzfragen einzugehen. Die ganze Diskussion hätten doch schon 27 Staatschefs samt Experten-Entouragen geführt, es gäbe gar keine Legitimationsnot, hieß es. »Wenn 27 Regierungen sich jahrelang Gedanken um den Lissabon-Vertrag gemacht haben und er von vielen Experten ausgearbeitet wurde,
dann, finde ich, sollten Sie davon ausgehen, dass die Sache schon in Ordnung ist«, entgegnete mir eine deutsche Diplomatin
in Irland auf die Frage, warum es schon als Tabubruch gelte, kritische Fragen über den Inhalt des Konvolutes aufzuwerfen.
Könnte man aber nicht auch genau das Gegenteil für wahrscheinlich halten? Zweifellos ist es angesichts des Flickenteppichs,
den die EU darstellt, schon eine enorme Errungenschaft, dass sich 27 Nationalstaaten überhaupt auf einen Vertragstext einigen können. Andererseits fällt es schon einzelnen Regierungen bisweilen
schwer, Gesetze zu erlassen, die handwerklich sauber und interessengerecht gestaltet sind. Die Frage, ob eine Horde von Juristen
und Ministerialen aus 27 Ländern sich mit dem Lissabon-Vertrag wirklich auf das Bestmögliche geeinigt haben, ist daher sehr wohl berechtigt. Zumal
fast alle Regierungen von dem Wunsch getrieben waren, die neue europäische Bedienungsanleitung möglichst schnell und störungsfrei
durch ihre Parlamente zu bekommen.
Doch die Warnschüsse der Verfassungsablehnungen in Frankreich und den Niederlanden von 2005 waren nicht nur ungehört verhallt.
Sie wurden mit den bemerkenswertesten Erklärungen verdrängt. Wann immer die Bürger einer E U-Vertiefung eine Absage erteilten, redeten sich die Regierungen ein, dahinter hätten »innenpolitische Gründe« gestanden. Komischerweise
behauptete dergleichen niemand, als die Spanier im Februar 2005 in einem konsultativen, also nicht bindenden Referendum der
E U-Verfassung
zustimmten –
obwohl doch dabei die eigentlich nicht abstimmungsrelevanten, aber segensreichen E U-Förderungen für das Land eine Rolle gespielt haben könnten. 92
»Ich glaube nicht, dass die französischen oder niederländischen Wähler die Europäische Verfassung abgelehnt haben«, erklärte
damals mit sonorer Stimme der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker. »Diese fabelhafte Weigerung, zwei weithin
bekannt gewordene Nachrichtenereignisse anzuerkennen, machen ihn zu einem würdigen Empfänger des Preises«, begründete das
britische Nachrichtenmagazin ›Ecomonist‹ daraufhin seine satirisch gemeinte Forderung, Juncker mit der Louis-XV I-Medaille für den europäischen Regierungschef mit dem am weitesten fortgeschrittenen Realitätsverlust auszuzeichnen. 93
Auch in Irland saßen, wie sich zeigen sollte, die Gründe für die Skepsis gegenüber der Brüsseler Zentralgewalt tiefer, als
es der Großteil der E U-Regierungen wahrhaben wollte. Am 12. Juni 2008 machten sich die Iren auf zu den Wahlurnen. Mit krampfhafter Routine hatten Brüssels Maschinisten in den Tagen zuvor
so getan, als stünde keine Schicksalsfrage für Europa
Weitere Kostenlose Bücher