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So nicht, Europa!

Titel: So nicht, Europa! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Bittner
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modernen Bürgergesellschaft die demokratische Legitimation eine Rolle für Akzeptanz und damit für Macht. Naturgemäß
     ist die Akzeptanz der politischen Herrschaftsform der EU im Vergleich zur Akzeptanz der politischen Praxis in den Nationalstaaten
     begrenzt. Deshalb ist auch die politische Vertiefung, die die Brüsseler Instanz zu leisten imstande ist, begrenzt. Wenn sich
     die EU dieses Akzeptanzlimit nicht eingesteht, droht sie, wie andere Reiche vor ihr, an Überdehnung zu scheitern. Nicht an
     Überdehnung nach außen allerdings.Sondern an einem
Overstretch
nach innen, an einem zu penetranten Lenken ihrer Subjekte, die im Begriff sind, sich immer mehr als Objekte von Brüsseler
     Diktaten zu fühlen. Die wahre Stärke des Imperiums EU läge anderswo. Nicht in der Freiheitsbegrenzung. Sondern in der Freiheitsermöglichung.
     
    63   Prozent der Deutschen glaubten laut einer Eurobarometer-Umfrage 2008, die E U-Erweiterung mache Europa als Ganzes weniger wohlhabend. 22 Was für ein Irrtum. Gerade die Deutschen sind es, deren Wirtschaft profitiert, wenn sich die Absatzmärkte ausdehnen. Und
     genau das tun sie durch die Erweiterung des Binnenmarktes. Jeder fünfte Job in der Bundesrepublik hängt am Export von Autos,
     Maschinen oder Chemikalien, und die wichtigsten Handelspartner bleiben die europäischen Nachbarn. Der größte ist Frankreich,
     dorthin gehen 10   Prozent aller deutschen Exporte. In die Vereinigten Staaten, zum Vergleich, sind es nur 6,6   Prozent. Selbst ins kleine Italien führt Deutschland mehr Güter aus (6   Prozent) als nach China (4,6   Prozent). 23
    Das Schöne am Freihandel ist aber nicht nur, dass er den Wohlstand aller Beteiligten vergrößert, sondern auch demokratische
     Entwicklungen und internationale Partnerschaften stimuliert (vgl. das China-Kapitel, S.   94). »Der Freihandel ist Gottes Form der Diplomatie«, dichtete prophetisch der britische Politiker Richard Cobden 1857. »Es
     gibt keinen anderen sicheren Weg, Völker in den Banden des Friedens zu vereinen.« Genau dies besagt die Gründungsphilosophie
     der EU.   Wirtschaftlich eng miteinander verflochtene Gesellschaften werden mit großer Gewissheit keinen Krieg gegeneinander führen.
     Und noch einen Effekt bewirken die Bande des Handels: Laut der Sonnentau-These (gemeint ist die fleischfressende Pflanze)
     von Walter Russell Mead zieht ökonomische Macht Partner an, während politische Macht Gegnerschaften provoziert: »Ein lieblicher
     Geruch lockt Insekten zu dessen Quelle, einem klebrigen Sekret. Sobald das Opfer mit dem Sekret in Berührung kommt, klebt
     es fest, und es gibt kein Entkommen mehr. Das ist das Leimrutenprinzip, und nach diesem Leimrutenprinzip funktioniert auch
     ökonomische Macht.« 24
    An den Verlockungen des größten Marktes der Welt führt kein Weg vorbei. Der Preis dafür ist allerdings, dass Importeure die
     Brüsseler Standards anerkennen. Deshalb zeigt die EU ihre stärkste Seite als normatives Wirtschaftsimperium. Aufgrund ihrer
     Kaufkraftkann sie
de facto
anderen Staaten, die es bisher gewohnt waren, ihre eigenen Normen festzulegen, neue Vorgaben machen.
    Chinesische Fabrikanten müssen sich an die europäischen Umweltschutzvorschriften über Chemikalien halten, wenn sie ihre Produkte
     hierzulande absetzen wollen. Dafür gibt es die so genannte REAC H-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), die schärfste der Welt. Selbst in amerikanischen
     Hühnerfarmen führen Brüsseler Normierungen zu einem Umdenken. In den Vereinigten Staaten darf künstlich geweißtes Hähnchenfleisch
     verkauft werden. In der EU nicht. Die amerikanischen Züchter erwägen deshalb mittlerweile, auf das gewohnte Verfahren zu verzichten,
     Federvieh durch Chlorzugaben zu bleichen. Bisweilen fährt die EU sogar wie ein Eisbrecher zwischen amerikanische Konzerne,
     wenn diese im Begriff sind, sich zu kartellartigen Monolithen zu entwickeln. 2007 zwangen E U-Kommission und Europäischer Gerichtshof den Riesen Microsoft, seine Macht zu teilen. Sie urteilten, es sei grob wettbewerbswidrig, für
     Konkurrenzsoftware das Funktionieren auf Microsoft-Betriebssystemen unmöglich zu machen, indem anderen Firmen die dafür erforderlichen
     technischen Codes vorenthalten werden.
    »Wo Kommerz ist, herrschen gesittete Manieren und Moral«, schrieb schon Montesquieu. Die immense Kraft der Europäischen Union
     liegt also nicht in der Lebensregulierung. Sondern in der Macht,

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