So schoen kann die Liebe sein
Liebe.
„Warum vertraust du deine Wünsche etwas so Unbeständigem wie einer Sternschnuppe an, Andrea?” hatte er sie damals gefragt.
Sie konnte seine Stimme fast noch hören, dunkel und einschmeichelnd. Und so hatte sie sich ihm in jener Nacht der Trauer anvertraut, nur um von ihm grausam enttäuscht zu werden.
Er hatte sie allein gelassen, bis auf ein kostbares Geschenk, das sie täglich erneut an ihn erinnerte.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und fröstelnd rieb sie sich die Arme. „Wie ist der richtige Name Ihres Auftraggebers?” fragte sie, obwohl sie ihn bereits wusste.
„Scheich Samir Yaman.”
Andrea stutzte. Sie kannte ihn nur als Sam, hatte nur von dem Reichtum seiner Familie gehört, aber nichts von einem Titel. Als bester Freund ihres Bruders hatte er viel Zeit in ihrem Hause verbracht. Sie war damals noch ein Teenager gewesen und fasziniert von dem „älteren”
exotischen Mann, der sie unablässig neckte und sie als Pauls kleine Schwester betrachtete. Bis zu jener Nacht, wenige Wochen nach ihrem achtzehnten Geburtstag, als eine unvorhergesehene Tragödie einem Leben ein Ende setzte, während nur wenige Stunden später ein neues Leben gezeugt wurde.
Doch das war lange her, und sie wollte weder an den Schmerz erinnert werden noch an Sam. Und vor allen Dingen wollte sie ihr Geheimnis, das sie seit Jahren vor ihm hütete, bei sich bewahren.
Der Mann marschierte jetzt entschlossen zur Limousine und öffnete die Tür für sie. „Miss Hamilton, bitte steigen Sie ein.”
„Ich möchte aber nicht …”
„Steig ein, Andrea.”
Und sie gehorchte. Als hätte sie weder Kontrolle über ihren Verstand noch ihren Körper, ging sie mechanisch auf den Wagen zu und setzte sich hinein. Doch diese Reaktion war ihr vertraut. Vom ersten Moment an hatte er sie mit seiner Stimme, der dominanten Art und nicht zuletzt der geheimnisvollen Aura, die ihn umgab, in seinen Bann gezogen.
Die Tür wurde geschlossen und ein schwaches Licht ging an, so dass sie den Mann, der ihr gegenüber auf dem Ledersitz saß, sehen konnte. Sie starrte ihn bloß an, unfähig sich zu bewegen, geschweige denn zu sprechen.
Er nahm das traditionelle Kopftuch der Araber ab, wie um ihr zu beweisen, dass er Mann war, den sie kannte. Aber er war nicht mehr derselbe. Er hatte sich verändert, doch er sah besser aus denn je mit seinem dunklen Haar, das sich im Nacken lock te, dem energischen Kinn, dem sinnlichen Mund. Obwohl der Ausdruck seiner fast schwarzen Augen genau wie früher eine gewisse Melancholie verriet, entdeckte sie jetzt darin auch eine leichte Müdigkeit und nicht mehr das übermütige Funkeln der Jugend.
Schließlich hatte sie sich einigermaßen gefasst. „Sam, was tust du hier?”
„Sam?” Seine blendend weißen Zähne hoben sich von der karamellfarbenen Haut ab, und ein Grübchen erschien in seiner linken Wange, als er jetzt lächelte. Doch schon im nächsten Moment war dieses Lächeln wieder erloschen. „Es ist lange her, dass jemand mich so genannt hat.” Er deutete auf die kleine eingebaute Bar neben sich. „Darf ich dir etwas zu trinken anbieten, Andrea?”
Etwas zu trinken? Er platzte nach all den Jahren wieder in ihr Leben und spielte den höflichen Gastgeber? Wut stieg in ihr auf, und sie begrüßte sie regelrecht, erschien sie ihr doch wie ein fester Anker in dieser Flut von Emotionen, die über sie hereingestürzt waren.
„Nein, danke, ich möchte nichts trinken. Ich möchte nur wissen, warum du wieder hier bist.
Seit Pauls Beerdigung habe ich nichts mehr von dir gehört. Weshalb bist du so plötzlich verschwunden?”
Er wich ihrem forschenden Blick aus. „Das war notwendig, Andrea. Ich hatte Verpflichtungen gegenüber meinem Land zu erfüllen.”
Und ihr gegenüber nicht? „Warum hast du mir nicht erzählt, dass du ein Scheich bist?”
Er sah sie wieder an, eindringlich. „Hätte das einen Unterschied gemacht? Hättest du verstanden, was das beinhaltet?”
Wahrscheinlich nicht. Es änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass er ohne eine Erklärung gegangen war. „Aber aus welchem Grund bist du denn jetzt hier?”
„Weil ich keinen Tag länger nutzlos verstreichen lassen wollte.”
Andrea hasste das Flattern ihres Pulses, den Hoffnungsschimmer in ihrem Herzen. „Na, das ist ja großartig. Und was versprichst du dir nach all der Zeit?”
Ohne ihr zu antworten, schlüpfte er aus seinem Gewand, dem Kleidungsstück, das Adlige von Bürgerlichen unterschied, und legte es beiseite.
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