So schoen kann die Liebe sein
verlorene Zeit wieder aufholen können.
„Alles in Ordnung, Sam?”
Er schaute von seinem Kaffee auf, von dem er noch nichts getrunken hatte. Tess hatte sich ihm gegenüber gesetzt und sah ihn mitleidig an. „Soweit man unter den Umständen erwarten kann.”
„Es hat dich geschockt, als ich dir von dem Jungen erzählte, nicht?”
„Ich wusste von ihm, bevor ich hierher kam.”
Tess riss die Augen auf. „Du wusstest von ihm?”
„Hat Andrea dir nicht gesagt, dass wir gestern nach der Versteigerung miteinander geredet haben?”
„Nein, das hat sie nicht. Sie erwähnte nur, dass jemand viel Geld für sie als Pferdetrainerin geboten hat.”
„Das war ich. Ein kleiner Preis für die Gelegenheit, meinen Sohn kennen zu lernen.” Und für die Gelegenheit, noch einmal in Andreas Nähe sein zu dürfen, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Vielleicht war es eine Art von Folter, der er sich da unterzog, sie zu sehen und gleichzeitig zu wissen, dass er sie nicht haben konnte.
„Wann hast du es denn erfahren?” erkundigte sich Tess.
„Dass Andrea einen Sohn hat, vor einigen Monaten, aber dass es auch mein Sohn ist, erst gestern, nachdem ich mit ihr gesprochen hatte.”
„Sie hat also zugegeben, dass du der Vater bist?”
„Nein, aber sein Alter und ihre Andeutungen ließen es vermuten. Jetzt, nachdem ich ihn gesehen habe, gibt es keinen Zweifel mehr.” Sam schob die Tasse zur Seite und beugte sich vor. „Und seit wann weißt du es?”
Tess seufzte. „Ich merkte sofort, dass nach Pauls Tod etwas mit Andi nicht stimmte, etwas, was nichts mit dem Verlust ihres Bruders zu tun hatte. Ich habe sie so lange mit Fragen gelöchert, bis sie mir schließlich gestand, dass sie schwanger ist. Sie versuchte mir einzureden, dass sie mit einem Jungen aus der Stadt zusammen gewesen wäre, doch als Joe geboren wurde, war mir klar, dass er nur dein Sohn sein konnte.”
Die Schuldgefühle, die ihn unvermittelt überkamen, waren so groß, dass er glaubte, daran ersticken zu müssen. Er schluckte, ehe er sagte: „Es passierte in der Nacht, als Paul starb. Wir haben uns gegenseitig getröstet. Noch nie zuvor war ich so leichtsinnig gewesen, was Verhütung betrifft. Das entbindet mich nicht von meiner Verantwortung, aber du sollst wissen, dass es nicht geplant war.”
„Das weiß ich doch, mein Junge. Ich weiß auch, dass Andi dich vom ersten Moment an angehimmelt hat. Und wenn man dann noch ihre damalige Verfassung bedenkt, ist es kein Wunder, dass es passierte.”
„Das entschuldigt aber nicht mein Verhalten, ganz zu schweigen von meinem Versagen, sie zu schützen”, erklärte Sam trotzig.
Tess langte über den Tisch und legte eine Hand auf seinen Arm. „Nun ist es zu spät, um sich darüber Gedanken zu machen. Die Frage ist, was willst du jetzt tun?”
Sam wusste, was er tun wollte. Er wusste aber auch, was er nicht tun konnte. Er durfte sich nicht wieder mit Andrea einlassen, da er praktisch bereits gebunden war. „Ich würde den Monat, den ich hier in den Staaten verbringe, gern dazu nutzen, meinen Sohn besser kennen zu lernen.”
Tess runzelte die Stirn. „Um sechs Jahre in ein paar Wochen aufzuholen?”
„Vermutlich. Ich möchte auch ein Treuhandkonto für ihn einrichten, um sicherzustellen, dass es ihm an nichts fehlt.”
Die immer freundliche Tess schien auf einmal verärgert. „Lass mich eins klarstellen, Sam.
Andi arbeitet hart, um für ihren Sohn zu sorgen. Seit das Geld aus der Lebensversicherung aufgebraucht ist, reitet sie Pferde zu, an die sich sonst keiner heranwagt, selbst auf die Gefahr hin, verletzt zu werden. Und das alles nur, um die laufenden Rechnungen zu bezahlen. Ich trage meinen Teil dazu bei, und du kannst sicher sein, dass Joe, abgesehen von seinem Diabetes, ein glückliches Kind ist.”
„Diabetes?” fragte Sam betroffen.
„Ja. Ich vermute, Andi hielt es nicht für nötig, dir das zu erzählen. Das Camp, in das er jetzt fährt, ist ein Sommerprogramm speziell für Kinder, die Diabetes haben. Es bringt Andi fast um, sich von ihm zu trennen, aber ich sagte ihr, dass es gut für ihn sei.”
„Wie lange hat er diese Krankheit schon?”
„Vor etwas mehr als einem Jahr ist sie festgestellt worden. Aber nach ein paar Rückschlägen kommt er jetzt ganz gut damit klar. Er ist ein tapferer kleiner Kerl.”
Sam spürte das Leid seines Sohnes, als wäre es sein eigenes, und wünschte, er könnte ihm die Unannehmlichkeiten, die diese Krankheit mit sich brachte, abnehmen. „Wenn
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