So schoen kann die Liebe sein
Nacht, in der er zwei schwerwiegende Fehler begangen hatte, hatte er keinen Tropfen Alkohol mehr angerührt.
Selbst nach all den Jahren fühlte er sich noch immer mitschuldig am Tod seines besten Freundes. Zu spät hatte er erkannt, dass er Pauls Trinkgelage nach der Abschlussprüfung hätte stoppen müssen, doch er hatte ihm freie Hand gewährt, weil er fand, dass Paul es verdient habe, angesichts der Verantwortung, die ihm nach dem Tode seines Vaters aufgebürdet worden war. Das hatte Paul das Leben gekostet, und Sam büßte noch immer dafür.
Wäre er nach Pauls Tod nur nicht gleich zu ihr gegangen, sondern hätte bis zum nächsten Morgen gewartet! Das war sein erster Fehler gewesen. Und hätte er nur nicht vergessen gehabt, dass sie lediglich ein trauerndes, völlig erschüttertes Mädchen war, das Trost suchte.
In dieser Situation seinem Verlangen nachzugeben war sein zweiter Fehler gewesen. Aber er hatte ihr einfach nicht widerstehen können. Vielleicht, weil er selbst hatte vergessen wollen, vielleicht, weil er schon immer eine Schwäche für sie gehabt hatte.
Auch heute noch.
Das war ihm bewusst geworden, als er sie vor der Menschenmenge hatte stehen sehen, in dem schwarzen Kleid, das ihre Kurven betonte. Er hatte Mitleid mit ihr verspürt, weil niemand für sie bot - für ihn Grund genug einzuschreiten.
Sam kniff die Augen fest zusammen und hoffte, damit die Bilder von Andrea zum Verschwinden zu bringen. Doch vergeblich. Sie verfolgten ihn bereits seit jenem Tag, an dem er sie verlassen hatte - dem Tag, an dem ihr Bruder beerdigt worden war. Weder Zeit noch Entfernung vermochten etwas daran zu ändern.
Er sah sie noch immer vor sich, so wie sie vor sieben Jahren ausgesehen hatte: zierlich, mit strahlenden blauen Augen und langem kupferrotem Haar, dessen Farbe ihn an einen Sonnenuntergang in Kentucky erinnerte. Er nahm an, dass sie noch immer einen freien Geist besaß, Lebenslust und Mut, Eigenschaften, die er von Anfang an an ihr bewundert hatte. Doch heute hatte er auch Ablehnung ihm gegenüber gespürt. Oder war es sogar Hass? Er konnte es ihr nicht verübeln. Manchmal hasste er sich ja selbst. Einerseits hatte er Pflichten übernommen, andererseits seine Ehre verloren, weil er sich seinen Fehlern nicht gestellt hatte.
Nach seiner Rückkehr in sein Heimatland Barak hatte er seinen Leibwächter und Vertrauten Rashid gebeten, ihn über Andreas Leben so gut wie möglich auf dem Laufenden zu halten. Aber erst vor einigen Monaten, als er eine Reise in die USA plante, hatte er erfahren, dass sie einen sechsjährigen Sohn hatte. Auch wenn Andrea es nicht zugab, glaubte er zu wissen, dass es sein Sohn war. Etwas anderes wäre ein zu großer Zufall. Er beabsichtigte, das zu beweisen, und würde zudem sicherstellen, dass es dem Jungen an nichts fehlte, auch wenn er selbst weder Kind noch Mutter jemals anerkennen konnte.
Scheich Samir Yaman, der älteste Sohn des Herrschers von Barak und somit Erbfolger, war an die Pflichten gegenüber seiner Familie gebunden. Er war von Geburt an dazu auserwählt, sein Land zu führen und aufgrund einer Vereinbarung gezwungen, eine Frau zu heiraten, die er niemals vorher berührt hatte. Eine Frau, die er niemals lieben konnte, denn sein Herz gehörte einer anderen - Andrea Hamilton. Und daran würde sich auch in Zukunft nichts ändern.
„Mom, da steht ein riesiges schwarzes Auto auf unserem Hof!” Vor Schreck ließ Andrea beinahe den Rucksack fallen, den sie gerade für ihren Sohn packte. Sie hatte es geahnt, aber dennoch gehofft, dass Sam bis morgen warten würde, um Kontakt mit ihr aufzunehmen.
Wenn sie sich doch nur mit dem Packen beeilt hätte, dann säße Joe jetzt bereits in seinem Bus zum Sommercamp und sie hätte womöglich eine unerfreuliche Szene vermieden. Vielleicht schaffte sie es ja noch. „Geh sofort vom Fenster weg, Joe”, befahl sie. Er schaute sie über die Schulter an, und in seinen dunklen Augen, die denen seines Vaters so sehr ähnelten, spiegelte sich Verwunderung. „Warum, Mom?”
„Weil es unhöflich ist, Leute zu beobachten.” Joe ignorierte die Belehrung seiner Mutter und drehte sich wieder zum Fenster um. „jetzt steigen zwei Männer aus”, be-richtete er. „Der eine ist groß und dunkel, der andere hat ein Nachthemd an und ein Handtuch um den Kopf gewickelt. Echt cool.”
„Joe Samuel Paul Hamilton, komm sofort her und hilf mir, deine restlichen Sachen zusammenzusuchen, sonst verpassen wir noch den Bus.”
Seufzend wandte er sich
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