So schoen kann die Liebe sein
Hand davongingen, ohne ihm noch einen Gedanken zu schenken. Er verachtete sich dafür, dass er sich wie ein Außenseiter vorkam, der nur wegen seines Autos willkommen war — ein Symbol seines Reichtums -, nicht aber als Teil der Familie.
Vielleicht war es das Beste, wenn Joe die Wahrheit niemals erführe. Vielleicht sollte er abreisen, ohne zurückzublicken. Es wäre vermutlich das Beste für alle Beteiligten, vor allem für seinen Sohn. Doch das wäre der schwierigste Weg.
Plötzlich riss Joe sich von Andreas Hand los und kam zu ihm zurückgelaufen. Nervös trat er von einem Bein aufs andere, bevor er mit seinem Anliegen herausrückte: „Kann ich dich was fragen?”
Sam fuhr ihm liebevoll durchs Haar. „Natürlich.”
„Es ist eine Art Gefallen.”
Sam ging vor ihm in die Hocke, damit ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren, und sah ihn aufmerksam an. „Du darfst mich um alles bitten.”
„Kannst du heute so tun, als wärst du mein Dad?”
Andrea hatte es nichts ausgemacht, dass Joe Sam bat, sein angeblicher Dad zu sein. Es hatte ihr auch nichts ausgemacht, dass Sam im Laufe des Tages sämtliche Aufmerksamkeit auf sich zog. Dafür war er ja ein Prinz. Selbst als Joe sich bemühte, Sam jedem Einzelnen vorzustellen, während sie fast unbeachtet blieb, hatte sie Nachsicht geübt, denn schließlich war er zu seiner Mutter gekommen, um sich trösten zu lassen, als er sich beim Spielen das Knie aufschlug.
Eifersüchtig wurde sie erst, nachdem Joe Sam ernsthaft versichert hatte, dass es der schönste Tag in seinem Leben gewesen sei und er sogar mehr Spaß gehabt habe als bei der Parade am vierten Juli, bei der er mit seinem Pony hatte teilnehmen dürfen. Wie sollte sie da mithalten können?
Sie schalt sich selbst wegen ihres mangelnden Selbstvertrauens und sagte sich immer wieder, sie solle sich freuen, dass Vater und Sohn sich so gut verstanden. Doch diese Freude wollte sich bei ihr nicht einstellen, weil ihre Gedanken unablässig darum kreisten, dass Sam sie in wenigen Tagen bereits wieder verlassen musste, womöglich für immer, und Joe vielleicht niemals die Chance bekäme, seinen Vater richtig kennen zu lernen.
Während Rashid dann zusammen mit Sam, Joe und einem halben Dutzend anderer Jungs in der Limousine eine letzte Runde um den Parkplatz drehte, stand Andrea allein da und wartete geduldig. Sie gönnte ihnen von Herzen diese kostbaren Momente, denn vielleicht wären es die letzten.
Der Wagen hielt an, und die Jungs kamen herausgestürzt und eilten in Richtung Speisesaal zum Abendessen. Joe unterhielt sich noch mit Sam, während Andrea ihre Sachen ins Auto lud.
Anschließend ging sie zu den beiden hinüber und legte Joe eine Hand auf den Kopf. „Es wird Zeit für dich, hineinzugehen, Schatz. Die anderen sitzen schon alle beim Essen, und wir müssen zurück, um uns um die Pferde zu kümmern. Die haben auch Hunger.”
Enttäuscht sah Joe sie an. „Okay, aber kann Sam mich nächstes Wochenende in der Limousine abholen kommen?”
„Ich weiß es nicht, Joe. Ich muss erst …”
„Natürlich werde ich dich abholen”, unterbrach Sam sie.
Andrea umarmte Joe noch einmal zum Abschied und war froh, dass er es sich dieses Mal gefallen ließ. „Sei artig.”
„Bestimmt, Mom.”
„Iss vernünftig, und kontrollier deine Werte.”
„Klar, Mom.”
„Vergiss nicht, dich zwischendurch immer mal auszuruhen und …”
„Kann ich jetzt gehen, Mutter? Ich bin hungrig.”
Mutter? Seit wann war sie nicht mehr seine Mom?
Seufzend küsste sie ihn noch einmal auf die Wange, bevor sie ihn freigab, wohl wissend, dass sie es noch lernen musste, ihr Kind loszulassen. Etwas, was ihr nur allzu vertraut war, was die Männer in ihrem Leben betraf.
Joe wandte sich an Sam und verabschiedete sich höflich. „Bis dann, Scheich.”
Sam grinste. „Bis dann.”
Nach einem letzten Winken trollte Joe sich davon, und schweren Herzens sah Andrea ihm hinterher.
Sam deutete auf die offene Wagentür. „Wollen wir?”
Andrea schaute sich noch einmal um, doch ihr Sohn war bereits verschwunden. „Ja”, antwortete sie und stieg ein.
Einige Minuten lang fuhren sie schweigend, während Sam ununterbrochen in sich hineinlächelte. Widerstrebend musste sie zugeben, dass sie seine Freude verstand. Zeit mit dem eigenen Kind zu verbringen war das Schönste, was es gab.
„Und? Haben Sie sich gut amüsiert, Scheich Yaman”, konnte sie trotzdem nicht umhin, ihn zu necken.
Sein Lächeln wurde nur noch breiter. „Ja, das habe
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