So schoen Tot
wie sie war, mit einem riesigen Satz zwischen die beiden Asiatinnen, um dann auf der selbstverursachten Aromaölpfütze auszurutschen und mit voller Wucht gegen den marmornen Buddha zu knallen. »Lissy«, rief ich alarmiert.
Die beiden Frauen eilten Lissy zur Seite. Doch ich sah bereits die Blutlache, die sich langsam ausbreitete.
»Deine Freundin kann dich nicht mehr hören«, sagte Phuong-Anh. Dann warf sie einen nachdenklichen Blickauf Lissys Schuhe. Es waren Manolos der vor-vorletzten, noch verganerfreien Saison, wir hatten sie damals zusammen gekauft. War die Tatsache, dass Lissy sie noch trug, nicht ein Zeichen?, fragte ich mich plötzlich.
»Die für dich, die anderen für mich«, sagte ihre Kollegin. »Hey!«, rief ich empört.
Hilflos musste ich mit ansehen, wie Phuong-Anh Lissys Schuhe nahm und mit verzücktem Gesicht hineinschlüpfte. Dann kam sie zu mir gestöckelt. »Es tut mir leid«, sagte sie. Angesichts ihres Ausdrucks, in dem nicht das kleinste bisschen Mitleid zu erkennen war, verstummten sogar die Vögel und Panflöten. »Aber von diesem Unfall darf nie jemand erfahren, das wäre schlecht fürs Geschäft, verstehen Sie?«
»Die CD ist aus«, sagte die Kollegin, die inzwischen meine Schuhe trug. Ming-Phu verschwand im Nebenraum, und nur einen Augenblick später ertönten erneut das betörende Zwitschern der Vögel und die harmonischen Panflöten.
»Hilfe!«, schrie ich und zerrte vergeblich an meinen Fesseln. Die beiden Frauen betrachteten mich nachdenklich.
»Sie würde von dem Unfall erzählen. Das wäre schlecht für den Laden.«
»Und die Schuhe …«
»Wir ersticken sie mit nassen Kräuterstempeln«, entschied ihre Kollegin. »Das stimuliert dann nämlich ihre …«
»Nein«, sagte Phuong-Anh grimmig. »Wir ertränken sie in Tee!«
Ungläubig musste ich mit ansehen, wie sie die Fußwaschwanne mit Meister-Proper-Tee füllten. »Ingwer und Zitronengras«, grummelte Phuong-Anh.
Es wäre schön gewesen, wenn mein Leben noch einmal an mir vorbeigezogen wäre, aber dafür ließen mir die Masseurinnen keine Zeit. Eine aromaölglitschige Hand ergriff meinen Nacken und drückte mein Gesicht in die Zitronengrasbrühe,die mir umgehend in Mund und Nase strömte. Ich bäumte mich panisch auf, kam mit dem Kopf hoch und hörte so zumindest Lissys letzte Worte. Offenbar war sie noch gar nicht tot gewesen, denn sie öffnete noch einmal die Augen, warf mir einen matten Blick zu und flüsterte: »Ein Grillteller wäre jetzt doch schön.«
Dann drückte Phuong-Anh erneut meinen Kopf in den Tee, und ich schwöre, als er mir die Atmungsorgane flutete, fand ich ihn gar nicht so schlecht. Mein letzter Gedanke war, dass er durchaus belebend wirken konnte.
Dann verstummten die Vögel und Panflöten für immer.
Wellnesstipp von Judith Merchant:
Ein Gläschen Sekt. Das macht nicht nur mich schöner, sondern auch die anderen!
Sandra Lüpkes
Multiple Choice
Vena jugularis interna –
innere Drosselvene.
Ve-na ju-gu-laris
, die macht mich noch wahnsinnig!
Ein bitterer Pelz klebt an meinem trockenen Gaumen. Meine kribbelnden Finger fischen eine hellblaue Pille aus der Schachtel, die in meiner Schreibtischschublade liegt.
10 mg für neun Stunden. Der Tag ist noch lang, und die Nacht davor war zu kurz.
Eine Karte bedeckt die halbe Wand meiner Studentenbude. Der Mensch darauf in Lebensgröße, skizziert durch einen schwarzen Umriss, darin viele kleine blaue Linien, die auf den ersten Blick aussehen wie das Amazonasgebiet von oben. Ein Fluss mit vielen, sich bis ins Klitzekleinste verästelnden Nebenflüssen. Das Lymphsystem.
Kläranlage des Körpers, so umschreibt es ein eher unwissenschaftlicher Beitrag in dem Magazin, welches ich mir heute zum x-ten Mal durchlese. Scheiß Lymphe, denke ich. Das lerne ich nie. Die Lymphbahnen verlaufen parallel zum Blutkreislauf und sind ein wichtiger Bestandteil des körpereigenen Immunsystems. Schwellungen der Lymphknoten lassen auf verschiedene Infekte schließen: Erkältung, Grippe, Sarkoidose, Pfeiffersches Drüsenfieber, schlimmstenfalls Leukämie oder eine andere Krebsart. Metastasen an dieser Stelle lassen auf ein fortgeschrittenes Krankheitsstadium schließen.
Ich schaue aus dem Fenster. Valentinstag mit blauem Winterhimmel extra für Verliebte. Draußen vor dem Studentenheim, direkt vor meinem Fenster, stehen die Kommilitonen und rauchen mit den Schwesternschülerinnenum die Wette. Sauerstoff, Nikotin und zahlreiche andere Gifte diffundieren
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