So schoen Tot
Bambusmöbel, ein plätschernder Zimmerbrunnen, ein marmorner Buddha, Paradiesvögel auf Paravents und sonstiger Schnickschnack. Und Phuong-Anh.
»Bitte eintreten«, lächelte die Frau, die wie aus dem Nichts erschienen war. Sie hob die Hand, und wie auf Befehl materialisierte sich eine zweite, die exakt genau so aussah wie sie.
»Sind Sie Phuong-Anh? Wir haben einen Termin«, sagte Lissy. »Ich habe gestern angerufen. 60 Minuten Massage für zwei.«
Die Asiatin fuhr fort zu lächeln. »Kräuterstempel oder Aromaöl?«, fragte sie Lissy geschäftsmäßig.
»Äh …« Lissy warf mir einen fragenden Blick zu.
»Bei Kräuterstempelmassage werden die Energiebahnen mit speziellen Kräutern stimuliert.« Phuong-Anh deutete mit großer Geste auf ein Glas mit Tuchsäckchen, in denen undefinierbare getrocknete Pflanzenreste vor sich hinstaubten.
Ich musste mit Schrecken an die Teebeutel in LissysVeganerküche denken und schüttelte heftig den Kopf. »Nee, das andere!«
»Aromaöl«, nickte Phuong-Anh zufrieden. »Kostet extra. Bitte mitkommen!«
***
Die Sache mit Spießer-Benno löste sich übrigens völlig überraschend auf – er hatte bedauerlicherweise einen Autounfall und verschwand somit aus Lissys Leben. Was nicht verschwand, war ihr Veganertum. Das wurde eher noch schlimmer.
Ich kann mich da an den Krankenbesuch erinnern – ich hatte eine ganz fiese Grippe, und Lissy besuchte mich in einem Anfall von Fürsorglichkeit. Das entsprach ganz klar ihrem neuen Weltretter- und Veganermuster: Erst, wenn ich schwach und hilfsbedürftig war, tauchte sie bei mir auf und zeigte Interesse. An mir als Mensch, meine ich jetzt, nicht nur an meiner Darmschleimhaut. Meine Vermutung ist, dass sich dieses Interesse entsprechend dem Grad der Bedürftigkeit steigert. Wäre ich ein Kitz mit gebrochenen Vorderläufen, hätte sie mir vielleicht sogar eine Flasche Weißwein mitgebracht.
So aber erschien sie immerhin mit einem Strauß Wiesenblumen und einer recycelbaren Papiertüte aus dem Reformhaus (Eukalyptusbonbons auf Basis von politisch korrekt gehandeltem und biologisch angebautem Zuckerrohr).
»Du armes Hasi!«, rief sie, als sie mein verrotztes Gesicht sah. Dann erblickte sie den Teller. Weit aufgerissene Augen. Ein spitzer Schrei. »Was ist das?«
»Hühnerbrühe. Ist gut gegen Erkältung«, erklärte ich.
»Du schlürfst Aas!«, rief sie angeekelt.
»Ich bin krank, falls du das noch nicht bemerkt hast. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, ich leide sehr undbrauche Hühnerbrühe«, verteidigte ich mich und griff nach den Bonbons.
Lissy sah mich an, als sei ich ein besonders widerwärtiges Insekt. »Weißt du eigentlich, was für ein Leid dieses Huhn erdulden musste?«
»Es war nur ein Brühwürfel«, sagte ich.
Sie schrie auf. »Du verstehst nichts! Absolut nichts!«
Sie riss mir die Tüte aus der Hand und verschwand.
Das war mir eine Lehre.
***
Ich durfte im Umgang mit Lissy einige Sachen nicht vergessen. Erstens: Die Frau, mit der ich mich traf, war aktuell nicht etwa meine beste Freundin, sondern ein trauriger veganer Rest von ihr. Zweitens: Aber Sandkastenfreundschaften wirft man nicht weg, auch wenn es schwierige Phasen gibt. Mit ein wenig Geduld würde diese Phase in Lissys Leben bald vergehen, bei der Sache mit Benno hatte es ja auch eine unerwartet glückliche Wendung genommen. Drittens: Es gab da etwas, was Lissy nicht wissen durfte, und deswegen durfte ich – viertens: – niemals die Kontrolle verlieren, sei es im Streit oder sonst wie.
***
Wieder hob Phuong-Anh ihre Zauberhand, und ihre Kollegin hielt plötzlich ein Tablett in der Hand, auf dem sich eine Kanne und zwei winzige Tassen befanden, ich würde mal sagen, eher Näpfe als Tassen. Sie sahen aus, als seien sie für einen der Vögel am Paravent bestimmt.
»Trinken! Ist gesund!«, befahl die Frau und drückte uns mit erstaunlicher Kraft auf das Bambussofa.
Mir schwante Unheil, wenn ich an die vielen gesundheitsförderndenEssenzen dachte, die Lissy mir im Laufe der letzten beiden Jahre zwangseingeflößt hatte. Vorsichtig schnüffelte ich.
»Hmmmm«, machte Lissy neben mir. »Ingwer und Zitronengras!«
»Trinken!«, bellte Phuong-Anh, und ich trank. Ein durchdringendes Aroma von Meister Proper breitete sich in meiner Mundhöhle aus. Ich schluckte schnell. Jetzt brannte es in meinem Magen, als hätte ich eine ganze Flasche von dem Putzmittel verdrückt.
»Schmeckt nicht?«, fragte Phuong-Anh argwöhnisch. »Ist aber
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