So schoen und kalt und tot
ihre neue Freundin an, dann nickte sie. „Ich bin wirklich sehr erschöpft“, bekannte sie und schaute sich suchend nach ihrer kleinen Schwester um. „Alanis, bitte komm.“ Sie hatte das Mädchen vor einem der düsteren Gemälde entdeckt, die hier überall an den Wänden hingen.
„Das ist er“, flüsterte Alanis, ohne den Blick von dem schmalen Männergesicht zu wenden, das nicht nur grausam wirkte sondern dessen hämisches Grinsen eine teuflische Ausstrahlung hatte. „Wir müssen sofort wieder gehen. Bitte, Melanie...“
Vergeblich versuchte Melanie, sich gegen die entsetzliche Angst zu wappnen, die erneut in ihr aufstieg. Was war nur mit Alanis los? So verwirrt hatte sie die Schwester noch nie erlebt, obwohl sie schon einige Male Zukunftsprognosen gestellt hatte, die dann auch wirklich eingetroffen waren. Dieses Mal jedoch erschien ihr alles zu fantastisch, um es glauben zu können.
Ian McGregor führte die Frauen ins obere Stockwerk, wo die verschiedenen Gästezimmer waren. „Ich hoffe, Sie werden sich bei uns wohl fühlen“, sagte er, zu Melanie gewandt. „Ich werde noch heute mit meiner Frau sprechen. Wenn Angela einverstanden ist, möchte ich Ihnen die Stelle als Gouvernante anbieten, die Mrs. Mansfield ja nun nicht mehr antreten kann“, fügte er mit Bedauern in der männlich tiefen Stimme hinzu.
Melanie erstarrte. Damit hatte sie nicht gerechnet. Plötzlich bekamen die wirren Worte ihrer Schwester eine besondere Bedeutung. Sie, Melanie, nahm die Stelle der ermordeten Erzieherin an, also würde auch sie in absehbarer Zeit den Weg ihrer Vorgängerin gehen müssen.
„Ich… an so eine Möglichkeit habe ich natürlich nicht gedacht“ versicherte sie hastig. Jetzt bereute sie, den Rat der Schwester nicht angenommen zu haben. Sie wollte ablehnen, doch etwas hinderte sie daran. Die Worte, die sie im Kopf hatte, kamen ihr nicht über die Lippen.
Ian lächelte sie freundlich an. „Jetzt ruhen Sie sich erst einmal aus. Angela, meine Frau, wird später mit Ihnen darüber sprechen.“
Sie hatten das obere Stockwerk erreicht. Der dicke Teppich, der die ganze Breite des Flures bedeckte, verschluckte jedes Geräusch. An der Wand waren kleine metallene Petroleumlämpchen angebracht, die mit zitternder Flamme ein spärliches Licht spendeten.
„Du weißt ja bestimmt noch, wo dein Zimmer ist, Daisy“, wandte sich der Laird an seine Schwester. „Dein Gepäck ist bereits ausgepackt und aufgeräumt. Es war klug, dass du es schon voraus geschickt hast“, lobte er. „Immerhin wirst du die nächsten Monate bei uns bleiben, und da braucht man schon einiges“, fügte er schmunzelnd hinzu. Er öffnete eine der Türen und ließ Daisy eintreten.
„Für Sie beide habe ich zwei besonders schöne Zimmer gewählt, sogar mit Morgensonne… falls sie scheint“, fügte er schmunzelnd hinzu. Vier Türen weiter blieb er stehen. „Ich hoffe, die Zimmer gefallen Ihnen. Sie sind mit einer Tür verbunden, die im Bedarfsfall abgeschlossen werden kann.“
Alanis hielt noch immer die Hand ihrer älteren Schwester umklammert, als würde sie sich entsetzlich fürchten. „Können wir nicht lieber wieder nach London zurück?“, fragte sie leise, den Tränen nahe.
Überrascht hatte der Laird ihre Worte gehört. „Gefällt Ihnen unser wundervolles Schottland denn nicht? Die Highlands sind etwas ganz Besonderes, und wenn Sie möchten, werde ich Sie gern mitnehmen, wenn ich wieder nach Stonston muss. Schon die Fahrt dahin ist beeindruckend. Außerdem gibt es da einige sehr schöne Einkaufsmöglichkeiten.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Laird Ian“, sagte Melanie verlegen. „Ich bin sicher, wir werden uns hier wohlfühlen.“ Sie ließ ihren Blick einen Moment lang durch das Zimmer wandern, das von jetzt an für längere Zeit ihr Zuhause sein sollte.
„Das würde mich sehr freuen.“ Der Laird deutete eine höfliche Verbeugung an, dann wandte er sich zum Gehen. „Ich hoffe, Sie können etwas ruhen“, meinte er noch höflich. „Mathilda, unsere Köchin, wird Ihnen etwas zu trinken und eine Kleinigkeit zu essen bringen. Abendessen ist um achtzehn Uhr. Aber wir sehen uns sicher vorher.“ Er lächelte, dann verließ er das Zimmer.
Alanis stand da, als hätte ein Blitz sie angerührt. „Du willst wirklich bleiben?“
„Wir haben keine andere Wahl.“ Melanie zweifelte an der Richtigkeit ihrer Entscheidung, doch das wollte sie ihrer
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