So schoen und kalt und tot
ihr Blick den Doktor, der das Neugeborene untersuchte.
„Es ist ein wunderschönes Kind“, antwortete Doktor Mulligan ausweichend.
„Aber?“
„Sie wissen, Daisy, das es vier Wochen zu früh ist. Das Kind ist sehr schwach, und wir müssen erst einmal sehen, ob es in der Lage ist zu trinken.“ Sorgenvoll reichte er das Neugeborene Lady Angela, die es waschen und anziehen wollte.
Daisy, die mit etwas Ähnlichem gerechnet hatte, brach in Tränen aus. „Bitte nicht“, jammerte sie. „Bitte, ich will mein Kind behalten. Es darf nicht sterben.“
Melanie setzte sich an ihr Bett und versuchte, die Verzweifelte zu trösten. Sie redete beruhigend auf Daisy ein, bis der Tränenstrom versiegte. „Elizabeth soll sie heißen, meine süße Tochter“, sagte sie unter Schluchzen.
„Ein wunderschöner Name, der sehr gut zu ihr passt“, antwortete Lady Angela und legte der jungen Mutter das winzige Kind in die Arme. „Sie wird es bestimmt schaffen“, sagte sie liebevoll.
Doktor Mulligan blieb noch eine ganze Zeitlang, bis das Neugeborene endlich schwach zu trinken anfing. „Jetzt hat sie eine kleine Chance“, sagte er und lächelte kaum merklich.
„Ich werde jetzt zurück fahren. Am Abend bin ich wieder da, und wenn etwas Unvorhergesehenes sein sollte, verständigen Sie mich bitte sofort.“ Er verabschiedete sich hastig von den Frauen. Die Müdigkeit war ihm deutlich anzusehen.
Auch Daisy war so erschöpft, dass ihr die Augen zufielen. Elizabeth lag neben der jungen Mutter und schlief ebenfalls. Sie war so zart und schwach, dass Lady Angela nicht wagte, sie zu berühren.
Leise schlich die Lady in Begleitung von Melanie aus Daisys Zimmer. Sie seufzte verhalten auf. „Ich kann mich kaum mehr auf den Beinen halten.“ Im nächsten Moment jedoch war sie wieder hellwach. „Ian“, sagte sie nur. „Ist mein Mann eigentlich schon aus Glannagan zurück?“
Jetzt fiel auch Melanie wieder ein, dass in dieser Nacht nicht nur ein Kind geboren worden sondern auch eines verschwunden war. „Benjamin…“
„Er wird zu Bett gegangen sein“, meinte die Lady. Sie lief in ihr Schlafzimmer, Melanie wartete draußen. Wenig später kam sie zurück, ihr schönes Gesicht war totenbleich. „Ian ist noch nicht zurück. Es ist bereits gegen Morgen.“
Die beiden Frauen liefen nach unten in die Küche, gerade rechtzeitig, um Laird Ian in der Halle zu empfangen. Müde trat er auf seine Frau zu und nahm sie in die Arme.
„Haben Sie sie gefunden, Laird Ian?“, fragte Melanie ängstlich und wusste die niederschmetternde Antwort bereits, ehe er sie ausgesprochen hatte.
„Ich habe alle möglichen Plätze mehrmals aufgesucht, bin aufs Land hinaus geritten und habe in einzelnen Cottages nachgefragt. Niemand weiß etwas, keiner hat sie gesehen. Sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Jetzt, in der Dunkelheit können wir nichts unternehmen.“ Der Laird war so müde, dass er ganz langsam sprach.
„Und was geschieht weiter?“
Der Laird zuckte die Schultern. „Ich weiß es im Moment auch nicht. Wir können nur warten. Vermutlich hat sich Alanis verirrt und schläft bereits irgendwo. Ich könnte mir vorstellen, dass sie in einem Cottage Unterkunft gefunden hat, wo ich nicht nachgefragt habe. Wenn es Tag ist, werde ich weitersuchen und notfalls auch den Inspektor verständigen.“
„Ich habe Angst“, flüsterte Melanie.
„Dafür ist es noch zu früh“, antwortete Ian. „Wir sollten versuchen, eine Weile auszuruhen. Bitte regen Sie sich jetzt noch nicht zu sehr auf. Ich weiß, es sind leere Worte, die ich Ihnen sage. Aber in unserer Gegend kann man sich leicht verirren, vor allem, wenn man nicht hier aufgewachsen ist. Wir werden weiter suchen, wenn es hell ist.“
Die restlichen Nachtstunden tropften dahin wie halbflüssiger Honig. Als die Sonne aufstieg war Melanie gerade ein wenig eingedöst. Sie träumte von Alanis. Die Schwester stand an ihrem Bett und lächelte auf sie herunter. „Mach dir keine Sorgen, Darling. Mir geht es gut“, flüsterte sie ihr zu. „Countess wird auf mich aufpassen.“
Melanie wollte sich aufrichten, nach der Schwester greifen, doch da begann sie sich von der Mitte her aufzulösen. Schluchzend und in Tränen aufgelöst erwachte Melanie und stellte erleichtert fest, dass es nur ein Traum gewesen war. Doch in ihrem Innern war da die Angst vor dem Tag, der vor ihr lag.
* * *
Es
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