So schoen und kalt und tot
„Nein, ich habe noch nie einen Einspänner gelenkt, aber vielleicht könnte ich Benny mitnehmen. Der Laird meinte, wenn Alanis vor ihm hier sei, sollte Benjamin mit dem Einspänner nach Glannagan fahren und ihn verständigen.“
„Das könnte gehen.“ Angela hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken. Aus Daisys Zimmer war wieder lautes Stöhnen zu hören. „Bitte kümmern Sie sich um alles, Melanie“, entschied sie. „Benjamin wird Ihnen helfen, da haben Sie Recht. Er kennt sich mit den Tieren und mit dem Einspänner aus. Matthew wird alles richten. Ich muss wieder zu meiner Schwägerin.“ Sie nickte Melanie zu, dann war sie wieder im Zimmer verschwunden.
Melanie rannte los. Sie fand Benjamin im Stall, wo er versuchte, sich mit Arbeit abzulenken. Traurig schaute er sie an. „Noch nichts?“
Melanie schüttelte den Kopf. „Spann den Wagen an, Benny“, befahl sie. „Wir müssen nach Stonston, Doktor Mulligan holen. Deine Tante bekommt ihr Kind. Es ist sehr eilig“, fuhr sie fort.
Benjamin bewies in diesem Moment, dass er seinem Alter tatsächlich weit voraus war. Ohne weiter zu fragen spannte er den Wagen an. „Wir nehmen den größeren, oder wollen Sie nicht mitkommen? Ich kann auch allein fahren.“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Kommt nicht in Frage“, entschied sie. „Natürlich werde ich mitkommen. Ich lass dich doch nicht allein durch die Nacht fahren.“
„Der Doc kommt sowieso mit seinem eigenen Wagen, damit er später zurück fahren kann.“ Geschickt spannte Benjamin den Wagen an, und kaum zehn Minuten später verließen sie das Castle.
Die Fahrt nach Stonston war etwas beschwerlich, denn die Straße war schlecht und voller grober Steine. Benjamin musste langsam fahren um keinen Achsenbruch zu riskieren. Aber er tat das so geschickt, dass sie kaum eine Stunde später bereits vor dem Häuschen des Arztes angekommen waren.
„Du hast die ganze Zeit nicht geredet, Benny. Was ist mit dir?“, fragte Melanie, ehe sie abstieg.
„Ich denke an Alanis“, antwortete der Junge traurig. „Wenn ihr was passiert ist, dann ist das meine Schuld.“
„Unsinn.“ Melanie schüttelte den Kopf. „Alanis wird nichts passiert sein“, versicherte sie gegen ihre Überzeugung. „Ich will daran gar nicht denken.“
„Und wenn doch?“
„Dann ist es ganz bestimmt nicht deine Schuld.“ Für einen Moment lang stieg Panik in der Frau auf. Doch jetzt hatte sie keine Zeit, sich diesem furchtbaren Gefühl zu ergeben. Es ging um Daisy und das ungeborene Kind, das ans Licht der Welt drängte.
Der Doktor brauchte eine Weile, bis er die Tür öffnete. Offensichtlich war er bereits im Bett gewesen. „Ich hatte letzte Nacht einen schweren Unfall“, sagte er und griff nach seiner warmen Jacke. „Mrs. Daisy?“, fragte er und lief zum Stall, ohne auf die Antwort zu warten.
Hintereinander fuhren die beiden Einspänner dann zurück nach Rochester Castle. Jetzt, da Hilfe nahte hatte Melanie wieder den Kopf ein wenig frei, um an ihre Schwester zu denken. „Ob dein Dad mit Alanis zurück ist?“, fragte sie und musste ziemlich laut sprechen, um gegen das laute Geratter der Räder anzukommen.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Benjamin bedrückt. „Ich glaube nicht.“
„Warum nicht?“ Sie warf dem Jungen einen forschenden Seitenblick zu. „Weißt du irgendetwas, das ich auch wissen sollte?“, fragte sie alarmiert.
„Nein.“ Benjamin schüttelte den Kopf. „Es ist nur so ein Gefühl, das Alanis übrigens auch seit einigen Tagen hatte.“
„Wie meinst du das?“
„Alanis sagte einige Male, dass sich das Schicksal sehr schnell erfüllen würde. Aber auf meine Frage, was sie damit meinte, gab sie nie eine Antwort sondern schaute mich immer nur traurig und ratlos an.“ Benjamin ließ die Zügel ein wenig locker.
„Das hat sie mir auch gesagt.“ Erst jetzt fiel Melanie wieder ein, dass ihre Schwester in den letzten Tagen immer wieder seltsame Bemerkungen gemacht hatte. Melanie wollte immer mit ihr darüber reden, aber stets war etwas dazwischen gekommen.
Als sie Rochester Castle erreichten, kam Doktor Mulligan gerade noch recht, um das winzige Mädchen abzunabeln. Er lobte Lady Angela für ihre Umsicht, denn sie hatte alles richtig gemacht.
„Ist mein Kind gesund?“, fragte Daisy schwach, denn die letzten Stunden hatten sie bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit gefordert. Ängstlich suchte
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