So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
eigentlich ein Geschenk. Ich habe es jedenfalls als großes Geschenk empfunden, dass ich wieder richtig lachen konnte.
Irgendwann kam mir der Gedanke, dass das mein Vater gewesen sein könnte. Vielleicht war das echt mein Papa, vielleicht hat er gesagt: »So, Junge, jetzt musst du einfach mal richtig durchlachen. Da muss etwas ganz Absurdes her.« Die Geschichte ist auch genau seine Art von Humor, da hätte er Tränen drüber gelacht. Und plötzlich taucht wieder eine Nähe zwischen meinem Vater und mir auf. Kann sein, dass es an meiner guten Stimmung liegt, aber ich habe meinen Vater heute wieder sehr lieb. Diese Möglichkeit, wieder mal so richtig lachen zu können, diesen Moment des Optimismus, werde ich jedenfalls niemals vergessen und für immer mit meinem Vater verbinden.
Bevor diese Geschichte mit der verrückten Frau passierte, habe ich stundenlang mit Marion und Michael geredet, irgendwann ging die Tür auf und Professor Kaiser kam rein. Er hat sich fast eine Dreiviertelstunde zu uns gesetzt, und Michael hat mit ihm ein Gespräch von Arzt zu Arzt geführt. Manchmal habe ich richtige Schweißausbrüche bekommen, weil Michael ziemlich kritisch nachgefragt hat. Aber Kaiser blieb ganz gelassen, er kann sich ja auch gar nicht leisten, auszuflippen, muss seine Emotionen im Griff haben, um diese Operationen durchzustehen. Schon bewundernswert!
Jedenfalls hat Michael ihn ganz konkret nach seiner Prognose gefragt: »Wie sehen Sie das denn? Wird sich Ihr operativer Eindruck durch die Histologie sehr verändern?«, so hat er sich ausgedrückt. Kaiser meinte daraufhin, er glaube nicht, dass die Ergebnisse sehr stark von seiner Einschätzung während der OP abweichen werden, er sehe die Dinge sehr positiv. Das hat er wirklich gesagt! Vor allem, dass er fast sicher ist, dass die Sache im Zwerchfell von der Lunge kommt. Das würde bedeuten, dass das zusammengehört, dass es nicht noch einen Herd gibt. Das würde auch bedeuten, dass die Chemo mehr Chancen auf Erfolg hat.
Was die Chemo angeht, war der Professor sogar der Meinung, dass sie nur eine Vorbeugungsmaßnahme sei: »Ich würde es Ihnen auf alle Fälle als Vorbeugung empfehlen«, so hat er es formuliert. Nennt sich, glaube ich, adjuvante Therapie. Das heißt also, dass man die kleinen Teilchen, die eventuell noch irgendwo rumsausen, möglichst früh erwischt. Und darauf käme es an, auf nichts anderes. Ich wäre ja froh, wenn ich die Chemo nicht machen müsste, aber es hat gutgetan, wie offen Kaiser über alles gesprochen hat.
Er hatte noch eine positive Neuigkeit für mich. Am Freitag mache er noch eine Bronchoskopie, um zu sehen, wie die Dinge verheilen. Und Mitte nächster Woche sei dann schon Abmarsch angesagt. Wenn ich wirklich nächsten Mittwoch, also zwei Wochen nach der OP, entlassen werde, dann wäre das natürlich unglaublich. Das wäre traumhaft, wenn ich nächste Woche schon wieder zu Hause vorm Kamin sitzen könnte. Wollen wir mal hoffen, aber nichts beschwören. Wir wünschen es uns.
Nachdem er gegangen war, habe ich noch ein bisschen mit Michael und Marion weitergeredet. Das war auch wunderbar, sind ganz tolle Menschen. Wie arg mich das hier getroffen hat, bleibt natürlich die Frage. Es ist auf alle Fälle ein Schlag, der eine Umüberlegung notwendig macht. Es gibt sicher noch viele Dinge, die noch nicht ausgestanden sind, wo man noch mal abwarten muss, aber das Ende zu beschwören bringt auch nichts. Das habe ich heute vielleicht gelernt.
Na gut, ich spucke jetzt große Töne.Wenn es mir morgen mit dem Darm wieder schlechter geht oder irgendetwas anderes passiert, dann werde ich bestimmt wieder genug Gründe haben, das anders zu sehen. Wie auch immer: Heute bin ich mehrmals extrem belohnt worden, nachdem ich gestern gedacht habe, es ist alles zu Ende. Dass diese Stimmungen so nah beieinanderliegen, ist etwas, was zu begreifen unglaublich wichtig ist. Man kann sich nicht herbeiwünschen, keine Angst zu haben. Wünschen kann man es sich schon, aber man kann es sich nicht herbeiwünschen, sodass es auch tatsächlich eintritt. Gestern war ich der festen Überzeugung, dass es jetzt zu Ende geht, heute hoffe ich, dass alles gut wird. Schon anstrengend alles.
Nachmittags kam noch Carl vorbei. Wir haben gemeinsam überlegt, ob ich die Johanna-Inszenierung an der Deutschen Oper nicht besser absagen sollte. Michael und Aino meinten schon, dass die Inszenierung weder zeitlich noch kräftemäßig zu machen sei. Ich selbst habe ja auch das Gefühl,
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