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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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habe, weiß ich gar nicht mehr, ich hatte überhaupt keinen Hunger. Das Mittagessen konnte ich noch nicht einmal ansehen. Als Professor Kaiser kam und mit mir über die Histologieergebnisse sprach, die ja morgen oder übermorgen kommen sollen, begann das Grauen erst richtig. Natürlich stelle ich mich mal wieder an. Natürlich will ich, dass er nur Gutes berichtet. Ich spiele enorme Kraftreserven vor. Aber das bringt ja alles nichts. Ich habe keine Kraft. Man weiß nicht, was das alles bedeutet und was da alles kommt. Und ob man’s packt oder nicht.
    Heute tat mir auch alles viel mehr weh als die Tage zuvor. Das viele Liegen im Bett, der Rücken, Bauchschmerzen, das Herz sticht – ich habe mich grauenhaft gefühlt. Weil ich weiter gefroren habe, hat man mir noch eine zusätzliche Decke gebracht. Half aber nichts. Und ich dachte, ich muss jetzt unbedingt Fieber messen, habe mich ein bisschen reingesteigert, als die Schwestern nicht sofort gerannt kamen. War aber nix. Das versteht man eben nicht: Man hat Schüttelfrost, aber Fieber hat man keins. Na ja. Zwischendurch bin ich immer wieder in so eine komische Starre gefallen. Ich habe mich wie abgestorben gefühlt.
    Aino kam irgendwann und brachte leckere Sachen mit, Säfte und Obst, aber bis auf eine halbe Kaki habe ich nichts runterbekommen. Stattdessen habe ich gemeckert, dass sie die Hausschuhe nicht dabeihatte, die sie mir mitbringen wollte. Sie hätte die Schuhe doch heute Morgen kaufen können, als sie warten musste, bis der Theaterfundus aufmacht, habe ich gesagt. Da war sie natürlich genervt, hat sich wieder angezogen und ist einfach los. War natürlich völlig absurd, diese Idee, weil der Fundus doch gar nicht in der Stadt liegt, und bis sie da rein- und wieder rausgefahren wäre – totaler Quatsch. Sie war zu Recht sauer.Aber es passiert eben immer wieder, dass man sich so ungerecht verhält, irgendwie auch eifersüchtig wird. Man erträgt diese Momente nicht, wo man denkt, man gehört nicht mehr so richtig dazu.
    Dann kam Aino trotzdem wieder, hatte schöne Schuhe gefunden und mir auch einen Schlafanzug zumWechseln gekauft. Total lieb. Am Anfang war die Stimmung noch etwas angespannt, aber irgendwann wurde es besser. Sie schlug vor, einen kleinen Spaziergang zu machen. Erst wollte ich nicht, aber dann sind wir doch den Gang langgelaufen, bis ganz nach hinten und wieder zurück. Das ist eine ganz schöne Wegstrecke, und manchmal musste ich auch kurz innehalten. Aber Aino war ganz ruhig und sagte nur, komm, geh langsam, bleib ganz ruhig. Das hat gutgetan, weil man sich ja wahnsinnig konzentrieren muss, um diese paar Schritte hinzukriegen. Als wir wieder im Zimmer waren, habe ich gleich den Weg zum Klo gewagt. Diesmal hat’s geklappt. Es ist verrückt, wie man sich plötzlich freut, bloß weil man wieder scheißen kann. Und Aino hat sich mitgefreut, obwohl auch sie heute wohl hundekaputt ist. Man sieht es auch, sie hat so ein paar Ränderchen unter den Augen, aber ich finde, sie sieht trotzdem sehr schön aus.
    Irgendwann wollte ich dann sogar etwas essen, irgendeine Kleinigkeit, auch damit ich die Tabletten besser runterkriege. Dann kam aber nix. Aber statt mich aufzuregen, bin ich einfach noch einmal aufgestanden, rausgegangen und habe geschaut, wo mein Essen bleibt. Da freue ich mich ein bisschen über mich. Weil ich mir gesagt habe, ich muss mich jetzt nicht wieder ärgern und aufregen. Sondern wenn keiner kommt und man denkt, ich muss aber jetzt ganz schnell etwas essen, dann macht man sich eben selbst auf die Suche nach dem Wurstbrot. Auch wenn’s etwas mühsam ist.
    Als Aino gegangen war, habe ich ein bisschen rumtelefoniert, Leute, die mir auf die Mailbox gesprochen hatten, zurückgerufen. Viele, viele Leute, die sich Sorgen machen, mir die Daumen drücken, mir Mut machen – das ist schon toll. Besonders das Telefonat mit Peter Zadek war schön. Der war ja auch sehr krank die letzten Jahre. Ich habe ihn gefragt, was er denn gemacht habe, wenn er Angst bekommen hat. Er sagte, er sei einfach in so eineArt Schlaf gefallen, habe sich in einen Halbschlaf begeben, so hat er sich ausgedrückt. Alle drum herum seien besorgt gewesen, weil sie gedacht hätten, er trete schon in das andere Reich über, aber für ihn sei das wie eine Therapie gewesen. Und natürlich habe ihm seine Frau geholfen. Und viele liebe Menschen in der Klinik. Da sei er gesund geworden. Und jetzt plane er seine neue Produktion.
    Tja, das ist schon toll, das hat mir ein wenig Mut

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