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So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)

Titel: So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief
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hat mir unheimlich gutgetan.

    Heute Abend habe ich mich erneut gefragt, warum das Leid als Währung in unserer Welt nicht richtig existiert. Das war doch früher mal anders, es gab doch Zeiten, wo man sich mit seiner Wunde nicht so verstecken musste. Zumindest hat man das Gefühl, dass die Leute sie lieber nicht sehen wollen und ihre eigene nicht zeigen wollen. Ich weiß es nicht, aber vielleicht liegt es daran, dass der Mensch sich diese Markierungen, an denen für ihn etwas Dramatisches, sein Leben Veränderndes passiert, nicht mehr erlaubt. Dass er zumindest versucht, sie im Kopf beiseitezuschieben. Für ein Kind kann diese Markierung ein Dorn unterm Fingernagel sein. Das ist der erste Moment, an dem das Kind merkt, es ist verletzbar, an dem es registriert: »Da ist was in mir, das kriege ich nicht mehr raus. O Gott, das wird nie mehr rausgehen.« Als Erwachsene wissen wir dann, dass das entweder von selbst rauswächst oder dass man es entfernen kann, aber für ein Kind ist dieser Moment fast ein Weltuntergang. Und es ist ein Moment des Leids, der schon für das Kind Anlass ist, anders zu handeln und anders zu denken, nicht unbedingt umzudenken, aber doch anders zu empfinden.

    Wer seine Wunde zeigt, dessen Seele wird gesund.
     
    Andere Einschnitte sind natürlich, dass man verlassen wird, dass ein geliebter Mensch stirbt, dass man einen Unfall hat oder eben eine Krankheit bekommt. In der Zeitlinie sind das alles Einschnitte, aber ob der Mensch das auch wissen will, ob das Momente des Nach- und Umdenkens werden, ist eben so fraglich. »Das Leben geht weiter«, »Lass dich nicht unterkriegen« – solche besinnungslosen Sprüche hört man doch an jeder Ecke. Deshalb ist das für mich im Augenblick auch ein bisschen schwierig mit manchen Leuten: Sie sind entweder total betroffen, kriegen kein Wort raus, und ich merke, sie denken, um Gottes willen, der hat ja nur noch ein paar Tage. Oder sie wollen mir Mut machen durch irgendwelche Durchhalteparolen, die ich im Moment gar nicht so richtig vertragen kann.
    Diese Leute haben doch auch alle ihre Einschnitte, ihre Wunden. Warum zeigen wir sie uns nicht gegenseitig? Beuys sagt: »Zeig mal deine Wunde. Wer seine Wunde zeigt, wird geheilt. Wer sie verbirgt, wird nicht geheilt.«
    Ja, das ist es vielleicht: Wer seine Wunde zeigt, dessen Seele wird gesund. Denn der Krebs ist weg, aber der Einschnitt bleibt.

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    Freitag, 22. Februar
    Gestern Nacht habe ich einen tollen Traum gehabt. In einem Raum, der ungefähr so groß war wie unser Schlafzimmer hier, befanden sich vier, fünf Schauspieler, die die »Johanna« spielten. Aber nicht als Oper, sondern als Sprechtheater. Aino und ich waren Zuschauer und lagen auf so komischen Kissen auf dem Boden rum. Es hatte etwas von einer Off-Theater-Atmosphäre, die Schauspieler sprachen die Texte auch ein bisschen ironisch. Irgendwann entstand eine lange Pause und es passierte überhaupt nichts mehr. Da habe ich mit einem Seitenblick, ob das auch wirklich jemand hört, reingerufen: »Ja, ja, das ist der Unterschied zur Oper. Wenn es mal so richtig langweilig wird, dann ist es in der Oper immer noch schön, weil man wenigstens noch der Musik zuhören kann.«
    Daraufhin grinsten ein paar von den Schauspielern, einer stand auf, hockte sich wieder hin und man sah seine Hoden baumeln. Anschließend stand ich selbst auf, hatte nur eine Unterhose an und befand mich plötzlich mitten im Raum vor einem Spiegel. Ich habe mich ganz langsam gedreht und mir meine Narbe auf dem Rücken angeschaut. Das war ein merkwürdiger Moment, ohne jeden Ton, ein bisschen wie in einem Buñuel-Film. Vorne auf meiner linken Brust hatte ich auch eine Narbe, eine Verbrennung oder so etwas, jedenfalls war da eine rote Fläche. Sie sah aus, als hätte mir jemand irgendein Kriegsabzeichen eingebrannt, man sah noch die Glut auf der Brust. Dann habe ich ein weißes Tuch genommen, es mir wie eine Stola umgeworfen und mich darin eingewickelt. Das war dann meine Kleidung, ich sah aus wie ein alter Römer. Dann bin ich noch mal durch den Raum gegangen und habe zu einem der Schauspieler gesagt: »Das ist schon was Tolles, so ein Papa.«
    Irgendwann hörte ich Geräusche, habe mich umgedreht und bin zu einem Vorhang gegangen, der sich hinter einer Tür befand. Ich habe ihn beiseitegeschoben, immer weiter, weiter – dahinter lag Aino auf dem Boden und kotzte ins Klo. Ich habe mich neben sie gestellt und auch gekotzt, Unmengen an Schaum in ein Pissoir gekotzt und dabei

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