So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein!: Tagebuch einer Krebserkrankung (German Edition)
bin ins KaDeWe und habe da kräftig eingekauft: Thunfisch, Fleisch, einen leckeren Wein. Heute Abend haben Aino und ich dann mit Heißem Stein und Pfännchen ein richtiges Genießerspektakel veranstaltet. Ich hatte richtig Hunger. Ich konnte nicht so viel essen wie früher, aber viel mehr als die letzten Tage: zwei oder drei Pfännchen mit dickem Käse und Tomaten, Pommes dabei, bestimmt noch 200 Gramm Steak, plus Salat. Da habe ich schon einiges verdrückt.
Und jetzt bin ich richtig gut gelaunt. Aino arbeitet noch, will aber gleich kommen. Die Heizung knackt und nervt, aber die Grundsituation heute Abend ist gut. Ich freue mich auf den nächsten Tag und ich danke auch schon für den nächsten Tag. Ich sehe Arbeit vor mir, sehe ein Haus mit Bäumen und Wiesen, wunderschön an einem See gelegen. Da sitze ich, schaue aufs Wasser, frühstücke in der Sonne – und dann kommt Aino und hat ein Adoptivkind dabei, weil das mit einem eigenen Kind wohl nicht sein soll. Solche Bilder stellen sich ein. Also, es ist sehr positiv und geht jetzt auch so weiter. Gute Nacht und danke.
[ Menü ]
Freitag, 21. März
Heute ist Karfreitag, ungefähr elf Uhr abends. Die Chemo hat immer noch nicht begonnen, weil ich mich letztes Wochenende doch entschieden hatte, mir noch zwei, drei Wochen Erholung zu gönnen. Daher bin ich am Sonntag nach Warnemünde an die Ostsee gefahren, um dort in einem tollen Hotel lecker zu essen und es mir gut gehen zu lassen. Aino konnte nicht mit, weil sie Endproben hatte.
Das Ganze endete dann in einem Desaster, weil ich nicht alleine sein konnte. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Am Anfang hatte ich mir noch Mühe gegeben, bin spazieren gegangen und habe versucht, das Essen zu genießen. Dann bekam ich Schmerzen in der Brust, die Narbe tat auch wieder weh und das Essen fand ich irgendwann auch nicht mehr so umwerfend. Im Laufe dieser fünf Tage bin ich dann langsam, aber sicher komplett abgestürzt, habe kaum noch etwas getrunken, konnte nichts mehr essen, musste stattdessen dauernd kotzen. Ich habe nur noch völlig geschwärzt rumgelegen, Gott zum Teufel gejagt und überlegt, wie ich mein Leben möglichst elegant beenden kann. Gleichzeitig habe ich gedacht, o Gott, das hören die jetzt da oben. Jesus kann das vielleicht verstehen, aber Gott wird sagen: Was ist das denn für ein Weichei? Warum sagt der nicht einfach, dass er gerne noch sehr lange leben würde? Na, dem wollen wir es mal zeigen.Was für ein Irrsinn!
Gestern Abend kam dann Aino, da wurde es etwas besser, aber heute war ich immer noch so im Keller, dass sie mich erst kurz in die Klinik und dann nach Hause gefahren hat. Tja, jetzt liege ich wieder in unserer Wohnung und versuche, mich zu beruhigen.
Gott ist ein Schmerzsystem.
Aber ich muss trotzdem sagen, diese Sache mit Gott ist echt noch offen. Würde mich sehr interessieren, warum Gott solche Radikalmaßnahmen von den Menschen fordert. Es passiert so viel Leid, dass ich mit Gott wirklich meine allergrößten Probleme habe und ihn oder Jesus bitten muss, mir das mal zu erklären. Vor allem warum man dieses Leiden überhaupt zur Währung erklären soll? Das ist doch eine Beschmerzung, die da stattfindet. Gott ist ein Schmerzsystem. Gott hat nichts mit Freude zu tun. Wenn sich jemand freut – ja gut, das soll dann auch Gott sein. Aber wenn jemand leidet, heißt es gleich: Da hat sich also Gott für ihn eine Prüfung ausgedacht. Oder:Aha, der hat wohl Schuld auf sich geladen und muss sich mehr mit Gott auseinandersetzen.
Das ist doch bescheuert. Das ist doch ein Riesenfehler dieser Religionen – nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam –, dass die permanent diese Drohungen aussprechen: Achtung, Achtung, wehe, du machst einen Fehler! Wehe, du handelst falsch! Das ist doch alles furchtbar. Das müsste man doch ganz anders formulieren. Jedem Menschen ist doch auch ohne Gott und seine Gebote und seine Verbote klar, dass er keinen anderen töten oder verletzen soll. Aino schrie mich gestern an: »Hör auf mit dieser Schuld- und Bestrafungsscheiße und mit der ganzen Bayreuth-Rechnerei. Dann kannst du ja auch jeden Menschen in Afrika anbrüllen und sagen, du bist selbst schuld, du hast dir die Kacke hier selbst eingebrockt. Wärst du ein guter Mensch, wärst du eben nicht in Afrika aufgetaucht.«
Sie hat absolut recht. Das Gottesprinzip ist im Laufe der Jahrhunderte zu einem Prinzip der Schuld und des Leidens verkommen. Warum ist das Gottesprinzip kein Freudenprinzip? Warum denkt
Weitere Kostenlose Bücher