So schwer, sich leicht zu fuehlen
nicht zu frühstücken. Denn wie man sah, hatte mein Körper sich in dieser Nacht an die Fettzellen gemacht, und diesen Erfolg konnte ich jetzt unmöglich ruinieren.
So schlich sich dieser Teufelskreis mehr und mehr in meinem Leben ein. Mein Körper wurde immer schwächer, doch ich hatte für alles eine Erklärung parat. Mir selbst redete ich ein, dass das ganz normal sei. Ich musste meinem Körper einfach Zeit lassen, sich an sein neues Ich zu gewöhnen.
Es gab allerdings auch Dinge, die mich richtig schockierten. Beim Kämmen fand ich immer wieder groÃe Haarbüschel in der Bürste, weil mir aufgrund der Mangelernährung die Haare ausgingen. Dafür wuchsen nun welche auf meinem Handrücken. Das nennt man Lanugo-Behaarung. Diesen Haarflaum, der als Schutz für die Haut dient, haben normalerweise ungeborene Babys; er entsteht zwischen der 13. und 16. Schwangerschaftswoche und verschwindet dann ungefähr zwischen der 29. und 32. Schwangerschaftswoche endgültig. Wenn jemand magersüchtig ist, dann gerät der Hormonhaushalt komplett durcheinander, so dass diese Fötusbehaarung wieder auftritt. So, als würde man sich zurückentwickeln, um langsam wieder aus dem Leben zu verschwinden.
Mir war ständig kalt, auch im Sommer. Ich fror ohne Ende, da mein Körper einfach keine Fettschicht mehr besaÃ. Meine Periode kam immer unregelmäÃiger, bis ich sie gar nicht mehr hatte. Das fand ich in den ersten Monaten richtig schlimm, obwohl man von Magersüchtigen ja sagt, sie wollen so wenig Frau wie möglich sein. In meinem Fall war das nicht so! Ich sehnte mich ja gerade danach, eine hübsche, begehrenswerte Frau zu sein! Der Gedanke, dass ich mir nun vielleicht meinen Körper wirklich kaputtmachte und am Ende nie Kinder bekommen könnte, war für mich furchtbar. Schon ewig träumte ich davon, einmal eine groÃe Familie zu haben.
Doch selbst diese Befürchtung war für mich nicht Grund genug, meine Wahnsinns-Diät zu beenden. Mein Körper musste da etwas falsch verstanden haben, denn in meinen Augen war ich ja kerngesund und nach wie vor eher etwas zu dick. Immer noch begleitete mich diese ständige Angst, von einem kleinen Stückchen Brot oder anderem normalem Essen sofort wieder alles zuzunehmen, was ich so mühsam abgenommen hatte.
Mein Körper war übersät mit blauen Flecken. Ich musste mich nur ganz leicht irgendwo anschlagen, und schon hatte ich einen weiteren Bluterguss. Das merkte ich natürlich und es beunruhigte mich auch ein wenig, aber aus den falschen Gründen. Es ärgerte mich einfach, dass mein Körper nicht die gleiche Stärke besaÃ, die ich doch innerlich hatte.
Ein typisches Beispiel war der Ausflug in den Europa-Park, einem groÃen Vergnügungspark in Süddeutschland. Ich war immer ganz wild darauf gewesen, mit den verrücktesten Bahnen zu fahren. Doch irgendwas sagte mir nun, das lieber zu lassen, da mein Körper das nicht verkraften würde. Es stand ja auch ein groÃes Schild vor einigen Stationen mit der Aufschrift: âGästen mit Herzschwäche wird davon abgeraten, in diese Bahn zu steigen.â
Ich hatte schon seit Wochen ständig Herzrasen und dann wieder Aussetzer, und tief im Inneren wusste ich auch sehr gut, woher das kam. Jeden Moment hätte mein Herz stehen bleiben können. Wenn der Körper keine Fettreserven mehr hat und immer weiter ausgehungert wird, fängt er als Nächstes an, die Muskeln aufzuzehren. Und das Herz ist auch ein Muskel.
AuÃerdem entwickelte ich einen komischen Tick und musste mir aus Angst vor Schmutz ständig die Hände waschen. Ich befürchtete auch immer, versteckte Kalorien an meinen Fingern zu haben, wenn ich ein Nahrungsmittel berührt hatte. Was, wenn ich aus Versehen mit einem Finger an meinen Mund kam und die Kalorien sich dann hineinschleichen würden!?
Lipgloss war natürlich genauso tabu. Das Zeug ist ja fettig, ganz sicher waren da Kalorien drin, die ich auf keiner Ernährungstabelle nachlesen konnte!
Ich bewegte mich, soviel es ging, um so viele Kalorien loszuwerden wie nur möglich. Beim gemeinsamen Einkaufen mit meiner Familie riss ich mich darum, den Einkaufswagen zu schieben und die schwersten Taschen zu tragen. Für andere sah das womöglich nach Hilfsbereitschaft aus, für mich jedoch war es ein Zwang. Ich musste diese Kalorien verbrennen, nicht die anderen.
Ich wollte immer die sein,
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