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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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eins.“
    Das würde nie passieren. Das wusste ich, und das wussten die anderen genauso.
    Wir stiegen ins Auto, und für mich war der Tag nun gelaufen. Ich hatte gefressen ! Viel mehr als sonst. Die Waage würde sicher wieder mehr Gewicht anzeigen. Und ich konnte nicht mal was dafür! Ich war gezwungen gewesen, etwas zu tun, das ich nicht wollte! Außerplanmäßiges Essen – die schlimmste denkbare Katastrophe! Ich war sauer auf die anderen, die mir das eingebrockt hatten. Egal, wie vergnügt sie im Auto saßen, ich brütete vor mich hin. Sollten sie mich doch alle in Ruhe lassen!
    Zu Hause angekommen rannte ich auf mein Zimmer, schlug die Tür mit einem lauten Knall hinter mir zu und weinte in mein Kissen. Wieso nur konnte mich keiner verstehen? Wieso waren alle so fies zu mir?
    Ich setzte mir die Kopfhörer auf und hörte meinen Lieblingssong: „Eine andere Familie, ein anderes Land, andere Brüder, mit anderen verwandt. Ein anderes Leben, zu anderer Zeit. Wenn ich es nur könnte ... !“ Ab und zu sang ich meinen Brüdern diesen Song mitten ins Gesicht. Natürlich mit einem Lächeln, doch tief im Inneren sehnte ich mich weit fort. Ich wollte allein sein. Allein mit mir, allein mit meiner Krankheit.
Ich gehe kaputt
    Meine Familie war der einzig unberechenbare Punkt in meinem Leben. Mein Leben und mein Hungern hatte ich voll im Griff. Wenn ich mir vorgenommen hatte, zum Frühstück nur ein Stück Brot in der Größe eines Zuckerwürfels zu essen, dann konnte ich das auch durchziehen. Ich ja! Nur meine Familie machte mir immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Ständig wollten sie mich zum Essen bewegen, immer waren da ihre Kommentare, täglich flossen Tränen.
    Irgendwann hatten sie aber endlich begriffen, dass alles gute Zureden nichts brachte, und gaben es auf, mich zum Essen bringen zu wollen, da das eh nur in Tränen endete. Meine Eltern bestanden aber weiterhin darauf, dass ich mit ihnen am Tisch saß, auch wenn ich dann wieder nur an meinem Wasserglas nippte.
    Doch auch das kam nur noch selten vor, denn ich hatte mir angewöhnt, mich schon um 18:30 Uhr ins Bett zu legen, um hoffentlich früh einzuschlafen und so dem Hungergefühl zu entkommen. Regelmäßig schrie ich aus meinem Zimmer: „Seid leise, ich will schlafen!!!“, während meine Familie das gute Essen und die Gemeinschaft am Tisch genoss.
    Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie schrecklich es für meine Mutter gewesen sein muss, zu wissen, dass ihre Tochter allein und gefangen in ihrem kranken Denken im Zimmer liegt und vor Hunger kaum schlafen kann. Und tatsächlich lag ich oft wach, weil stechender Hunger mich plagte.
    Mein Feind.
    Mein Freund.
    Wie gerne wäre ich aufgestanden und an den Kühlschrank gegangen! Nur einmal ... doch ich wusste, wenn ich diesen Weg einmal gehen würde, dann würde ich es wieder tun. Und dann wieder. Ganz schnell wäre ich dann so fett wie vorher. Ich fühlte mich total leer, ausgehungert, schwach und müde. Wie gerne hätte ich jetzt einen Teller Spaghetti gegessen. Oder einen Burger. Pommes ... wie schmeckten Pommes noch mal? Ich versuchte, mich an den Geschmack zu erinnern, doch ich schaffte es nicht.
    Ruhelos wälzte ich mich im Bett herum, und ein ganz kranker Teil von mir hoffte, immerhin bei dieser Bewegung ein paar weitere Kalorien zu verbrennen. Warum konnten alle anderen essen, was sie wollten, und nahmen nicht zu? Wieso war das bei mir nicht so? Es war einfach unfair. Kein Wunder, dass meine Brüder und meine Eltern mich nicht verstehen konnten! Bei ihnen funktionierte alles anders. Sie waren frei. Sie mussten keine Kalorien zählen, um ihr Gewicht zu halten. Ihr Körper funktionierte normal. Meiner nicht.
    Während meine Familienmitglieder nach dem Essen laut klappernd das Geschirr aufräumten und dabei redeten und lachten und sich freuten, lag ich wach im Bett und zitterte am ganzen Körper. Wenn ich erst einmal mein Wunschgewicht erreicht hatte, dann würde ich auch wieder mit ihnen essen. Doch bis dahin mussten Lasagne und andere Leckereien eben warten.
    Was war es für ein herrliches Gefühl, morgens dann mit einem großen Loch im Magen aufzuwachen und kaum aufstehen zu können, weil ich komplett „leer“ war! Sofort stieg ich auf die Waage, und ja, es hatte sich gelohnt, ich hatte weiter abgenommen! Genau das motivierte mich dann auch,

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