So schwer, sich leicht zu fuehlen
labil.
Glücklicherweise unterstützte mich meine Familie immer, wenn es darum ging, ehrlich zu sein und für das einzustehen, was ich wirklich dachte und fühlte! Sie machten mir keinen Vorwurf, auch wenn ich gerade eine objektiv tolle Ausbildungsstelle verloren hatte.
Um Geld zu verdienen, jobbte ich erst einmal für ein paar Monate in einer Fabrik. Jeden Morgen musste ich um 5:00 Uhr dort sein und konnte erst spätnachmittags nach Hause gehen. Da es Winter war, bekam ich kein Tageslicht mehr zu sehen. Eigentlich war das ein schrecklicher Job; es war sehr laut in der Fabrik, es stank, und die Arbeit war sehr schlecht bezahlt.
Doch auch dort fand ich eine gute Freundin, die mir liebevoll zeigte, dass ich immer noch ein völlig gestörtes Verhältnis zum Essen hatte. Ich fühlte mich in ihrer Nähe wohl. Jede Pause verbrachten wir gemeinsam, und dabei merkte ich, wie viel sie aÃ, während ich zuerst immer nur einen Apfel mitbrachte. Und dabei hatte sie meist schon zu Hause etwas gefrühstückt, während ich mich bis zur ersten Pause um 9:00 kaum konzentrieren konnte, weil ich solchen Hunger hatte. Und es half wirklich! Langsam, aber sicher passte ich meine Nahrungsaufnahme ihrer an. Natürlich lieà ich die Schokoriegel und fettes Zeug weg, doch trotzdem wurde mein Verhältnis zum Essen langsam normaler.
Ich war die Einzige, die der Schichtleiter immer mal zu Büroarbeiten in seine Kammer zitierte. âDéborah, du gehörst nicht zu dem Pack da drauÃenâ, sagte er. Ich war ganz schön schockiert über diese Aussage! In welchem Jahr lebten wir denn? Doch gleichzeitig bewunderte ich meinen Chef auch und fand ihn toll. Er war groÃ, muskulös und hatte diese strahlend blauen Augen. Alle Mädchen himmelten ihn an, und ich war diejenige, die in seinem Büro sitzen durfte!
Selbst das Atmen fiel mir schwer, wenn er in der Nähe war und wieder mal so gut nach einem Herrenparfum von Hugo Boss duftete. Er verhielt sich mir gegenüber einwandfrei, eigentlich beachtete er mich gar nicht besonders, nur einmal sagte er einen Satz, der mir gut tat und mich gleichzeitig anspornte, an mir zu arbeiten: âSüÃe, du bist aber ganz schön dünn. Männer mögen es lieber, wenn an einer Frau ein bisschen was dran ist.â
Nach ein paar Monaten hatte ich genug von der Fabrik, attraktiver Chef hin oder her. Als meine Mutter eine Annonce in der Zeitung fand, in der nach Flugbegleiterinnen gesucht wurde, zwang sie mich praktisch dazu, mich dort zu bewerben. Ich hatte die gröÃten Zweifel. Wie sollte ich jemals Flugbegleiterin werden, so fett, wie ich war?
Doch auf Mamas Drängen hin schrieb ich eine Bewerbung. Ich muss heute noch darüber lachen, weil das wohl die bunteste Bewerbung war, die ich je irgendwo eingereicht habe! In der Annonce hatte man darum gebeten, alles von Hand zu schreiben, und ich benutzte aus Spaà sämtliche Farben, die mein Mäppchen hergab!
Erstaunlicherweise bekam ich recht bald darauf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch und kündigte gleichzeitig meinen Job in der Fabrik. Eigentlich tat es mir fast leid, da ich so viele gute Freundschaften geschlossen hatte, doch gleichzeitig war ich froh, wieder einmal die Sonne sehen zu können.
Kurz vor Weihnachten rief mein Ex-Chef aus der Fabrik bei mir an und wollte mich für die Weihnachtsfeier als Sängerin buchen. Doch ich hatte das Gefühl, zugenommen zu haben, und aus diesem Grund sagte ich ihm ab, obwohl ich doch nichts lieber tat als singen.
Wieder ein Beispiel dafür, dass mein Aussehen noch immer eine viel zu groÃe Wichtigkeit in meiner Selbstwahrnehmung hatte! Und es sollte noch ein weiter Weg sein, bis ich langsam begriff, worauf es wirklich ankommt ...
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Ich kam mit einer alten Dame ins Gespräch, die mir spannende Geschichten aus ihrem Leben erzählte. Emma war schon über 80, dennoch reiste sie immer noch jedes Jahr an den
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