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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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stehen und sich etwas zu essen zu kaufen! Doch nach einem Bissen überkam mich sofort das schlechte Gewissen. Ich gab vor, auf Toilette gehen zu müssen, und ließ das Brötchen dort im Mülleimer verschwinden.
    Abends wurde immer kräftig Alkohol getrunken, doch auch da wäre ich natürlich nie mit von der Partie gewesen. Alkohol macht ja bekanntlich dick. So wurde aus der einst lustigen Déborah wieder ein nervliches Wrack, das sich anderen gegenüber verschloss. Und das nur, weil ich nicht essen wollte beziehungsweise konnte.
    Die Essstörung nahm mir die Freude am Leben, die Freude am Feiern, die Freude am Lachen und die Freude am Geben. Alles drehte sich in meiner Welt um meinen Körper und mich. Für etwas anderes war da kein Platz.
    Der Tag der Rückfahrt brach an, und ich drehte komplett durch. Ich hatte keine Kraft mehr. In den Tagen am See hatte ich selbst für meine krankhaften Verhältnisse fast nichts zu mir genommen und war völlig fertig. Nie hätte ich diese Strecke zurückfahren können! Ich rief bei meinen Eltern an und bat sie unter Tränen, dass sie mich abholen kommen, was sie auch taten.
    Keiner sagte etwas. Ich hätte mit allem gerechnet, auch damit, ausgelacht zu werden, doch alle schwiegen. Sicher war ihnen bewusst, wie ernst es um mich stand.
    Eine Lehrerin lud Estelle und mich einmal zum Essen beim Chinesen ein. Selbstverständlich durfte das niemand mitbekommen, sonst hätte es wieder Neid und Getuschel gegeben. Tatsächlich glaube ich, dass diese Lehrerin einfach sehen wollte, ob ich etwas esse. Und das tat ich dann auch. Was sie nicht wusste, war, dass ich dafür den ganzen Tag und den Abend vorher gefastet hatte.
    Meine Klassenkameradinnen fanden es toll, dass ich so schlank geworden war, und wollten ganz genau wissen, wie ich das machte. Mein Rezept war ganz einfach: nichts essen!
    Ich freute mich riesig, als mir ein Mädchen all ihre Hosen schenkte, die ihr nicht mehr passten. Sie war das absolute It-Girl, und ihre Klamotten waren total hip!
    Meine Familie machte sich natürlich sehr, sehr große Sorgen um mich. Niemand wollte das ganze Drama noch einmal durchleben. Aber ich muss sagen, dass diese Erfahrung vor der Schlafzimmertür meiner Eltern eine sehr große Spur in meinem Leben hinterlassen hatte und ich mir sehr „schuldig“ dabei vorkam, jetzt meinen Körper ein weiteres Mal so zu quälen. Ich hatte wieder sehr viel abgenommen, aber diesmal wollte ich nicht noch immer dünner werden, sondern mein Gewicht halten.
    Mittlerweile hatte ich mit Estelle und anderen wertvollen Menschen auch einen Freundeskreis, dem ich etwas bedeutete, ganz egal, wie ich aussah. Und das tat gut. Denn zu diesem Zeitpunkt fragte ich mich immer öfter, ob ein Mann, der sich vielleicht in die krankhaft dünne Déborah verliebt, auch die wirkliche Déborah lieben würde. Eine Erfahrung, die in diese Richtung ging, hatte ich ja schon mit dem französischen Austauschschüler gemacht. Was, wenn ich im Laufe der Beziehung wieder zunehmen würde? Wäre das ein Trennungsgrund? Gab es überhaupt jemanden, der mich wirklich lieben konnte, unabhängig von meinem momentanen Aussehen?
    Diese Gedanken beunruhigten mich sehr. Gleichzeitig kämpfte ich nicht darum, noch mehr abzunehmen, sondern mein Gewicht zu halten, was fast noch schwieriger war, weil ich ja wie gesagt keine normalen Maßstäbe mehr für mein Essverhalten hatte. Nach wie vor war ich davon besessen, Kalorien zu zählen und ja nicht so viel zu essen wie alle anderen. Ich war überzeugt davon, dass ich sofort zunehmen würde, wenn ich normal essen würde.
    Die Zeit der Abschlussprüfung war sehr schwierig für mich. Einerseits wusste ich, dass ich unbedingt Energie brauchen würde, um mich konzentrieren zu können, doch andererseits brachte ich es nicht über mich, Nervennahrung wie Schokolade, Engery-Drinks oder Müsliriegel in mich hineinzuschieben.
    Estelle hatte die tolle Idee, vor den Prüfungen in den Park zu gehen, eine Runde zu joggen und dabei zu schreien, um den inneren Stress abzubauen. Das tat tatsächlich sehr gut, und ich vergaß dadurch auch meinen Hunger. Denn auf das Frühstück hatte ich natürlich mal wieder verzichtet. Mein Ziel war es, in den Prüfungen alles zu geben. Und als Motivation wollte ich mir in der Pause etwas zu essen gönnen.
    Während des Englisch-Diktats machte ich einen

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