So schwer, sich leicht zu fuehlen
Während die schicken Schwedinnen immer heiÃe Outfits für den Abend des Layovers parat hatten, konnte ich nicht mithalten. Ich kannte diese Welt noch nicht. Immerhin war ich die jüngste Flugbegleiterin der Airline.
Tagebucheintrag, 12. Juni 2001
Hab mal wieder voll die Down-Phase. Dabei sollte ich glücklich sein. Ich bin eine ausgebildete Stewardess! Die Waage zeigt aber 62 kg an! Sogar meine Freundin ist viel strenger mit sich. Habe so viele tolle Klamotten, doch ich passe einfach nicht mehr rein. AuÃerdem würde ich Toni so gern mal wieder sehen ... mit 55 kg dann.
Tagebucheintrag vom 13. Juni 2001
Ich brauche Hilfe von oben, sonst komme ich nie über meine Komplexe hinweg.
Tagebucheintrag vom 18. Juni 2001
Ich war heute im Uniform-Store. Meine Uniform ist zu eng! Zum Glück war die Dame dort freundlich. Sie hat alles umgetauscht, und die alte Uniform darf ich behalten. AuÃerdem hat sie mich ermutigt, nur ein Kilo pro Monat abzunehmen.
Ich hatte solche Komplexe, dass ich mich regelmäÃig auf der Toilette versteckte, wenn âsieâ im Anmarsch war. âSieâ war eine Dame, deren Job darin bestand, uns Flugbegleiterinnen zu kontrollieren. Das heiÃt, sie schaute nach, ob das Make-Up sitzt, die Uniform richtig angezogen ist und so weiter. Ich hatte solch eine panische Angst vor ihr, dass ich einen weiten Bogen um sie machte. Immer wieder hatte ich Panik, dass sie mir sagen würde, ich sei zu dick, oder dass ich irgendetwas falsch gemacht hätte.
Dabei bekam ich regelmäÃig Post von Passagieren, die sich bei der Airline für meinen âcharmanten Serviceâ bedankten. Im Grundkurs hatte man uns gesagt, dass es etwas Besonderes sei, wenn ein Passagier sich die Zeit nahm, um sich über eine Flugbegleiterin positiv zu äuÃern. Man dürfe also nicht zu oft damit rechnen. Ich hatte innerhalb der ersten vier Monate aber schon sieben Briefe erhalten.
Wenn ich ehrlich bin, war ich eigentlich zu jung für diesen Job. Mir fehlte einfach die Selbstsicherheit und somit auch die gesunde Arroganz, den Passagieren auch mal zu sagen, wenn ihr Verhalten nicht in Ordnung war. Es kam tatsächlich vor, dass Business-Passagiere ihre Koffer vor dem Flugzeug hinstellten und dann meinten: âHolen Sie mir mal meine Tasche.â
Und immer noch drehte sich ein GroÃteil meiner Gedanken um meine Figur, mein Aussehen und das Essen beziehungsweise Nicht-Essen.
Tagebucheintrag vom 10. Juli 2001
Heute stand ich vor dem Lokal von Toni. Er war da und sah einfach zu gut aus. Doch er darf mich nicht sehen, erst müssen 8 kg runter.
Tagebucheintrag vom 11. Juli 2001
Gibt es noch Hoffnung? Sogar Stefanie sagte heute: âHör mal auf, so viel zu essen!â Wenn ich es könnte, würde ich gar nicht mehr essen, nur um es ihnen zu zeigen! Heute habe ich mal wieder die Bibel aufgeschlagen. Ich hätte ja nicht gedacht, dass Gott Ahnung hat vom Kalorienzählen und von den Essstörungen, die ich habe, doch ich kam auf einen ganz besonderen Vers: âAber dich will ich wieder gesund machen und deine Wunden heilen, spricht der Herr.â Kann es sein, dass ich gesund werden kann?
Und tatsächlich änderte sich etwas â langsam, aber sicher. Im Laufe der Zeit als Flugbegleiterin wuchs mein Selbstvertrauen. Ich genoss es, viele verschiedene Länder zu bereisen und aus meinen vier Wänden rauszukommen, und die Tatsache, dass ich meinen Job gut machte, viel Lob bekam und alles bewältigte, was mir jeden Tag an Aufgaben begegnete, stärkte mein Selbstwertgefühl ungemein.
AuÃerdem entwickelte sich meine musikalische Seite mehr und mehr. Meine Brüder und ich gründeten eine Band, mit der wir einige Konzerte gaben, und ich veröffentlichte meine allererste Single, âMercy Seatâ. Ich selbst hätte mir das nie zugetraut, doch ein Pilot, dem ich bis heute dankbar bin, half mir dabei. Er machte auch das Design für das Cover, und ich konnte meine erste Single verteilen. Es tat mir gut, Komplimente zu bekommen und auch auf Veranstaltungen aufzutreten.
Langsam wurde ich wieder zu der alten, lustigen Déborah, die für jeden Spaà zu haben war, und es ging mir sehr gut dabei! Auch war es gut, dass Toni aus meinem Leben verschwunden war. Denn meine Gefühle für ihn hatten mich unter einen enormen Druck gesetzt, was mein Aussehen anging. Mit meinen ständigen Diäten hätte ich den anstrengenden
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