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So schwer, sich leicht zu fuehlen

So schwer, sich leicht zu fuehlen

Titel: So schwer, sich leicht zu fuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Rosenkranz
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ich wieder ins Flugzeug steigen oder ein geregeltes Büroleben führen wollte. Mir wurde eine gute Stelle in der Abteilung für Kundenbeschwerden angeboten. Da ich immer mehr Auftritte am Wochenende hatte, fand ich es ganz praktisch, im Büro zu bleiben und mich nebenher noch meiner Musik widmen zu können.
Tiefe Einsamkeit
    Trotz meines tollen Jobs, der neuen Freunde dort und meiner Familie und der Liebe, die ich dort immer bekam, beherrschte immer noch diese fixe Idee mein Denken und Handeln: „Nur wer gut aussieht, kann auch geliebt werden.“
    Im Büro der Airline tänzelten die schönsten Frauen mit den perfekten Maßen in ihren High Heels umher, und ich verkroch mich so unauffällig wie möglich hinter meinem Schreibtisch. Ich leistete gute Arbeit, doch auch nur wieder, um irgendwie positiv aufzufallen, ohne dass mein Äußeres allzu sehr beachtet wurde. Zwar hatte ich meine Magersucht überwunden, und auch von der Bulimie war ich, bis auf ein paar unregelmäßige Rückfälle, ziemlich frei, aber ich war immer noch extrem unzufrieden mit meinem Aussehen.
    Auf andere wirkte ich wie ein lebensfrohes, aufgewecktes Mädchen, das immer ein Lächeln im Gesicht hatte, doch innerlich war ich leer, einsam und traurig. Ich hatte nie nach der wahren Ursache meiner Essstörung geforscht und wollte vielleicht auch nicht wissen, dass mir die Lösung eigentlich schon von Kindesbeinen an mit auf den Weg gegeben worden war.
    So vergrub ich mich weiter in meiner verzerrten Welt. Was genau war es bloß, das mir da so fehlte? Ich hatte doch nun wirklich alles: einen gut bezahlten Job, viel Bestätigung, meine eigene Wohnung und nette Freunde. Doch kaum war ich für ein paar Stunden allein, merkte ich, wie tief das Loch in meiner Seele war und wie schwer es war, die Stimme zu überhören, die mir sagte: „Déborah, das ist nicht das wahre Leben.“
    Allein zu wohnen war für mich so kurz nach der Magersucht nicht gerade das Beste. Ich hatte noch immer keinen normalen Bezug zum Essen. Wie gerne hätte ich einen Partner an meiner Seite gehabt, doch eigentlich war ich für eine dauerhafte Beziehung viel zu labil. Ich war sehr unsicher, was mich selbst anging, und nicht bereit dazu, jemandem wirklich Einblick in mein Inneres zu ge-währen.
    Schließlich kam ich auf die Idee, online nach einem Mann zu suchen. Ich meldete mich auf einer christlichen Partnervermittlungsseite an, weil ich mir dachte, dass das wohl die beste Möglichkeit wäre, einen Mann mit festen Werten zu finden.
    Doch leider wurde ich nicht wirklich fündig. Schon bei der Optik der allermeisten Kandidaten musste ich den Kopf schütteln. Bis auf einen. Der machte mich neugierig. Er hatte schwarzes, lockiges Haar, blaue Augen, einen gut gebauten Körper und ein sehr, sehr charmantes Lächeln! Außerdem war er musikalisch, sang und spielte Klavier. Ein Volltreffer!
    Mit zitternden Händen schrieb ich ihm eine E-Mail und wartete gespannt auf sein Feedback. So etwas hatte ich noch nie getan. Es war mehr die Neugier, die mich antrieb, das mal auszuprobieren. Doch bei diesem ersten Versuch blieb es dann auch, denn seine Antwort fiel sehr kurz aus: „Du kennst mich. Ich wollte schon einmal mit dir ausgehen, und du hast mir einen Korb verpasst.“
    Wie bitte? Erst war ich verwirrt, aber dann wurde mir alles klar: Das war gar nicht der Typ von dem Foto, sondern ein völlig anderer, unsicherer, verzweifelter Mann auf der Suche nach der großen Liebe. Dem hatte ich tatsächlich einen Korb gegeben, weil er mir unheimlich gewesen war. Nach diesem Versuch ließ ich das Projekt „Partnersuche im Internet“ lieber wieder bleiben und fiel zurück in meinen Einsamkeitsfrust.
    Tagebucheintrag vom 26. Dezember 2002
    Ich habe wieder so eine „Einsamkeitsfrustfressphase“! Dann möchte ich nicht mehr weggehen, weil ich mich so fett und hässlich fühle.
    Tagebucheintrag vom 29. Dezember 2002
    Ich bin ja so unglücklich! Wie ich mich vor anderen gebe, ist so falsch und kindisch. Und das alles nur, weil ich mich nach Liebe und Geborgenheit sehne. Kann es gar nicht beschreiben, wie ich mich fühle. „Loser“ wäre vielleicht der passende Ausdruck.
    Tagebucheintrag vom 31 . Dezember 2002
    Silvester: Ich sitze auf meinem Bett und heule. Wann hört das endlich auf? Mir geht es grauenhaft. Ich habe gar keine Lust, heute Abend unter die Leute zu gehen

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