So schwer, sich leicht zu fuehlen
Er tat mir nicht gut, und dies war meine Chance, neu zu beginnen.
Schweren Herzens sagte ich ihm also, dass zwischen uns Schluss sei. Er war schockiert, doch ich war mir ganz sicher, dass es richtig so war. Jetzt konnte ich mich also voll und ganz auf mein Studium am Hillsong- College konzentrieren.
Eigentlich war ich mit der Erwartung hingegangen, dass ich dort Musik studieren würde. Doch es stellte sich heraus, dass die Zeit dort vielmehr zu einer Charakterschule werden sollte. Man muss sich vorstellen, dass dort eine Menge junge Leute aus aller Welt zusammenkommen, die ihr ganzes bisheriges Leben zurückgelassen hatten und nun in WGs zusammenlebten.
Die ersten sechs Wochen waren einfach grauenhaft. Ich weinte mich praktisch jedem Abend in den Schlaf, weil ich solches Heimweh hatte und auch so enttäuscht darüber war, dass das Studium so wenig mit Musik zu tun hat. Da lag ich also auf meiner schmalen Matratze und war kurz vorm Verzweifeln. Wieso war ich nur hergekommen? Ich hatte alles aufgegeben! Meine Familie, Toni, meinen Job ... und ich hatte kaum einen Cent in der Tasche. Wovon würde ich jetzt leben? Im Nachhinein muss ich sagen, dass mir nichts Besseres hätte passieren können. Doch in dem Moment war es sehr hart.
Ich lebte mit einer Japanerin, einer Brasilianerin und einer Schweizerin unter einem Dach. Sogar mein Zimmer musste ich teilen, und das war ich ja gar nicht gewohnt! Das Zusammenleben war nicht immer leicht, weil jede von uns komplett anders aufgewachsen war als die andere. Dennoch schweiÃte uns die Tatsache zusammen, dass wir alle Fremde in dieser Stadt waren und jeder seine Heimat und alles, was er kannte, zurückgelassen hatte.
Bei einem meiner abendlichen Heulanrufe nach Hause meinte meine Mutter irgendwann: âDéborah, jetzt beruhige dich. Du musst das nicht durchziehen, du kannst jederzeit zurückkommen, wenn es so schrecklich ist.â
Ah, wie einfach! Wieso hatte ich nicht vorher daran gedacht, dass ich ja immer diese Möglichkeit hatte? Von diesem Tag an entspannte ich mich, konnte das College mehr und mehr genieÃen und mich auch wirklich für das öffnen, was ich hier lernen konnte. Ja, es gab jede Menge tolle Menschen hier, und ja, ich musste an mir arbeiten!
Das Hillsong College ist einer groÃen Kirchengemeinde angeschlossen, und es gehörte zum Studium, dass wir am Sonntagmorgen im Chor sangen. Allerdings hat der Hillsong -Chor nun gar nichts mit dem zu tun, was man sich vielleicht unter einem christlichen Chor vorstellt! Die Songs von Hillsong sind weltweit bekannt und werden auch regelmäÃig in den Charts gespielt. Die Musik ist sehr rockig, poppig und, ganz wichtig: total authentisch. Die Inhalte der Liedtexte, die sich fast alle um die Beziehung zwischen Menschen und Gott drehten, berührten mich zutiefst und wühlten mich komplett auf. Es war auch sehr beeindruckend zu sehen, mit welcher Leidenschaft für Gott die Menschen in dieser Gemeinde lebten und füreinander da waren!
In unserer Mädels-WG setzten wir uns oft zusammen vor den Fernseher, um australische Soaps anzusehen. Dazu gehören selbstverständlich auch SüÃigkeiten und Eis. Ich war überrascht zu sehen, dass ich nicht die Einzige war, die Light-Produkte anschleppte. Witzigerweise war ich ganz irritiert darüber, dass ich anscheinend nicht die einzige Frau war, die Probleme mit ihrem Aussehen hatte.
Das Mädchen, das aus Brasilien kam, erzählte mir, dass in ihrem Heimatland besonders bei Mädchen extrem viel Wert auf das äuÃere Erscheinungsbild gelegt wird. Selbst ihre Mutter sagte am Telefon zu ihr: âIch habe deine aktuellen Fotos gesehen. Du hast ja ziemlich zugenommen! Sieh zu, dass du das wieder loswirst!â
Wie krank ist die Welt?
Ein herber Schock
Wie sehr man sich bei Hillsong umeinander kümmerte, durfte auch ich bald erleben. Eines Morgens erhielt ich einen Anruf, der mich total schockierte. Bevor ich nach Australien abgereist war, hatte ich mein Handy einer Freundin geliehen, die aufgrund ihrer Schufa-Einträge nie einen Vertrag bekommen hätte. Doch wie schamlos das ausgenutzt werden würde, hätte ich mir nie vorstellen können!
Meine Mutter war am Telefon und erzählte mir mit zitternder Stimme, dass die Bank angerufen hätte. Mein Handyprovider hätte 5.000 Euro abgebucht. Oder vielmehr hatte man es erfolglos versucht. Meine âFreundinâ hatte aus der Schweiz unzählige
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