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So sinnlich wie dein Kuss

So sinnlich wie dein Kuss

Titel: So sinnlich wie dein Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Lindsay
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Hauptschuld.
    „Und? Ich höre.“
    „Ihm geht es nicht gut. Der Arzt hat ihm die Reise nicht erlaubt.“ Der Diabetes, an dem er schon seit Jahren litt, war schlimmer geworden. Zum Teil lag es daran, dass die Diagnose so spät gestellt worden war, zum anderen an Charles’ Weigerung, ärztliche Ratschläge zu befolgen. Inzwischen machten sich die ersten Anzeichen eines drohenden Nierenversagens bemerkbar.
    „Wie praktisch.“ Judd hob sein Glas und nahm einen großen Schluck.
    Anna spürte, dass sie wütend wurde. „Ganz und gar nicht! Hör zu, ich bin nicht eingeweiht, was genau in dem Brief steht, aber ich kann es mir vorstellen. Charles bittet dich, zu kommen. Er möchte dich wiedersehen, bevor er …“ Sie brach ab.
    „Bevor er was?“
    „Bevor er stirbt.“
    „Dir liegt wohl viel an ihm?“, fragte er emotionslos.
    „Mehr als du dir vorstellen kannst“, antwortete sie. „Judd, er ist nicht gesund! Bitte, das ist vielleicht die letzte Chance. Du bist es ihm schuldig, schließlich ist er dein Vater.“
    „Schuldig bin ich ihm gar nichts!“ Er lachte freudlos. „Ich bin bisher ganz gut ohne ihn zurechtgekommen und sehe nicht ein, warum sich daran etwas ändern sollte. Wobei ich zugeben muss, dass er sich einige Mühe gibt, mich zu ködern.“
    „Zu ködern?“, fragte sie unbehaglich. Welche Anreize hatte Charles sich für Judd ausgedacht?
    „Du weißt es wirklich noch nicht?“
    „Würde ich sonst fragen?“
    „Komisch, obwohl er dich als Mitarbeiterin so schätzt und obwohl du ihm, wie du selbst gesagt hast, auch persönlich sehr nahestehst, hat er es nicht für nötig befunden, dich zu informieren. Und das, trotzdem er dir so viel bedeutet?“
    Anna hörte sehr wohl die versteckte Andeutung heraus, sie und Charles könnten ein Verhältnis haben. Ja, sie liebte ihn – wie einen Vater. Aber wie sollte sie das Judd erklären? Er würde ihr ja doch nicht glauben.
    Er lehnte sich zurück und fixierte sie mit seinen leuchtend blauen Augen. „So wie es aussieht, will mir dein geschätzter Arbeitgeber den Hauptanteil an seinem Familienunternehmen übertragen.“
    „Was?“
    Den Hauptanteil? Einfach so? Plötzlich verschwamm alles vor ihren Augen. Sie schluckte. Wie konnte er Nicole das antun? Und sie selbst war ja nun leider auch in die Sache verstrickt!
    Sie kannte ihre Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie in puncto Loyalität und Ehrlichkeit ebenso hohe Anforderungen stellte wie ihr Vater.
    Wenn Nicole erfuhr, dass sie hinter ihrem Rücken die Botin gespielt hatte, damit Charles die Firma Judd übergeben konnte – würde sie je wieder mit ihr reden?
    „Und das ist noch nicht alles. Offensichtlich soll ich das Haus auch bekommen.“ Er wedelte mit dem Brief in der Luft herum.
    Anna glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen. „So etwas würde er niemals machen. Du fühlst dich doch ihm oder Wilson Wines gegenüber überhaupt nicht verpflichtet! Vielleicht verkaufst du deinen Anteil an wer weiß wen? Nein, so unbedacht ist Charles nicht.“
    Wirklich nicht? Wenn das stimmte, musste der alte Mann verzweifelt bemüht sein, die Kluft zwischen ihm und Judd zu überwinden. Aber auf Nicole würde sich das vernichtend auswirken. Sie war in Neuseeland aufgewachsen, in ebendiesem Haus. Sie engagierte sich mit Leib und Seele für die Firma. Und jetzt sollte sie zusehen, wie ihrem Bruder alles einfach so zuflog? Nein, so grausam konnte Charles nicht sein!
    Oder doch? Sie kannte seine Zielstrebigkeit. Die Ärzte gaben ihm nicht mehr lang, und bevor er starb, wollte er seinen Sohn zurückhaben. Und das versuchte er mit allen Mitteln – ohne Rücksicht auf die Gefühle seiner Tochter, die ihn so sehr liebte.
    Er hatte postum einen Brief von seinem früheren Geschäftspartner und größten Konkurrenten bekommen, von Thomas Jackson.
    Seitdem war der Wunsch, den Kontakt zu Judd wiederherzustellen, fast zur Besessenheit geworden.
    Anna kannte den genauen Inhalt dieses Briefes nicht, aber sie konnte sich denken, worum es darin ging: um das damalige Zerwürfnis der beiden Männer und um Cynthias und Judds Auswanderung kurz darauf.
    Hatten Thomas Jackson und Cynthia ein Verhältnis gehabt?
    Judd hielt ihr den Brief hin. „Lies selbst.“
    Die Buchstaben verschwammen vor ihren Augen, sodass sie blinzeln musste. Es stimmte. In seiner krakeligen Handschrift bat ihr Chef Judd flehentlich, zu ihm zurückzukommen. Wie schwer musste es dem alten Mann gefallen sein, seinem Sohn, von dem er sich vor fünfundzwanzig

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