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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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du der bist, für den ich dich halte.« Er fragte sich, ob es noch Verwandte in Polen gab. Womöglich existierten ganze Dörfer voller Verwandter, ein ganzer Clan von Cousins und Cousinen, die kein Wort Englisch sprachen und sich trotzdem freuen würden, ihn zu sehen. Vielleicht war sein Großvater nicht der Einzige gewesen, der das Land verlassen hatte. Gut möglich, dass die Familie sich bis nach Amerika und Kanada oder Richtung Osten nach Australien ausgebreitet hatte. Vielleicht waren manche von den Nazis ermordet worden oder hatten sich zu deren Helfershelfern gemacht. Nie erzählte Geschichten, in denen es Überschneidungen gab mit Rebus’ eigenem Leben…
    Wieder einmal musste er an die Flüchtlinge und Asylsuchenden, an die Wirtschaftsmigranten denken. An das Misstrauen und den Groll, den sie auslösten, die Angst der Leute vor allem, was neu war, was von außerhalb kam. Vielleicht erklärte das auch Siobhans Reaktion auf Caro Quinn, gehörte Caro doch einfach nicht zu ihren Kreisen. Multiplizierte sich ein solches Misstrauen, hatte man bald eine Situation wie in Knoxland.
    Rebus gab nicht Knoxland selbst die Schuld. Mehr als alles andere war das Viertel ein Symptom. Er musste einsehen, dass diese alten Fotografien ihm keine neuen Erkenntnisse liefern würden, dass sie lediglich sein eigenes Herausgerissensein repräsentierten. Außerdem hatte er noch einen Ausflug vor.
    Glasgow hatte nie zu seinen Lieblingsstädten gehört. Überall Beton und Hochhäuser. Er verfuhr sich jedes Mal und hatte Schwierigkeiten, etwas zu finden, an dem er sich hätte orientieren können. Manche Bezirke der Stadt vermittelten den Eindruck, als könnten sie ganz Edinburgh mit einem einzigen Bissen verschlingen. Auch die Menschen schienen anders zu sein. Er konnte nicht genau sagen, was es war – der Akzent oder die Denkweise –, doch er fühlte sich unwohl in dieser Stadt.
    Selbst mit einem Stadtplan bewaffnet brachte er es fertig, kurz nach der Autobahnabfahrt falsch abzubiegen. Er hatte eine Querstraße zu früh genommen, fand sich unweit des Gefängnisses Barlinnie wieder und arbeitete sich nun langsam durch den zäh fließenden samstäglichen Einkaufsverkehr Richtung Stadtzentrum vor. Der feine Nebel hatte sich zu echtem Regen ausgewachsen, der die Wegweiser und Straßenschilder praktisch unlesbar machte, was die Sache nicht gerade erleichterte. Mo Dirwan hatte Glasgow als Europas Hauptstadt der Morde bezeichnet; Rebus fragte sich, ob das vielleicht nicht zuletzt dem Verkehrsleitsystem anzulasten war.
    Dirwan wohnte in Calton, zwischen dem Friedhof Necropolis und Glasgow Green. Eine hübsche Gegend mit zahlreichen Grünflächen und alten Bäumen. Rebus fand das Haus, aber keinen Parkplatz in der Nähe. Er drehte eine Runde und musste schließlich die hundert Meter vom Auto zur Haustür zu Fuß zurücklegen. Eine solide gebaute Doppelhaushälfte aus Rotklinker mit kleinem Vorgarten. Die Tür war neu: eine Glastür mit bleigefassten Rauten aus Milchglas. Rebus klingelte, wartete einen Moment und erfuhr dann, dass Mo nicht zu Hause war. Seine Frau jedoch erkannte Rebus und versuchte, ihn ins Haus zu zerren.
    »Ich wollte wirklich nur sehen, ob es ihm gut geht, mehr nicht«, sagte Rebus.
    »Sie müssen auf ihn warten. Wenn er hört, dass ich Sie abgewiesen habe…«
    Rebus blickte auf ihre Hand, die seinen Arm umklammert hielt. »Von Abweisen kann nun wirklich nicht die Rede sein.«
    Sie ließ ihn los und lächelte verlegen. Sie war schätzungsweise zehn bis fünfzehn Jahre jünger als ihr Gatte. Üppige schwarze Locken umrahmten ihr Gesicht. Sie trug reichlich Make-up, das jedoch mit großer Sorgfalt aufgetragen war: die Augen dunkel, der Mund purpurrot. »Entschuldigung«, sagte sie.
    »Keine Ursache, ist ja schön, wenn man sich begehrt fühlen kann. Erwarten Sie Mo in Kürze zurück?«
    »Keine Ahnung. Er musste nach Rutherglen. Es hat dort Schwierigkeiten gegeben in letzter Zeit.«
    »Ach ja?«
    »Nichts Ernstes, hoffentlich, nur ein paar Jugendbanden, die sich gegenseitig bekämpfen.« Sie zuckte mit den Achseln. »Ich wette, die Inder tragen genauso viel Schuld wie die anderen.«
    »Und was macht Mo dort?«
    »Er nimmt an einer Gemeindeversammlung teil.«
    »Wissen Sie, wo die stattfindet?«
    »Ich habe die Adresse.« Sie verschwand ins Innere des Hauses, ohne einen Hauch von Parfüm zu hinterlassen. Er stellte sich ganz vorn in den Flur, um nicht nass zu werden. Immer noch dieses feine, hartnäckige Nieseln. Die Schotten

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