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So soll er sterben

Titel: So soll er sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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hatten ein Wort dafür:
smirr
. Er fragte sich, ob es in anderen Kulturen ähnliche Wörter gab. Als sie zurückkam und ihm den Zettel reichte, berührten sich ihre Finger, und Rebus spürte einen kurzen Schlag.
    »Elektrische Aufladung«, sagte sie und deutete mit dem Kopf auf den Teppich im Flur. »Ich habe Mo schon so oft gesagt, dass wir einen aus reiner Wolle brauchen.«
    Rebus nickte, bedankte sich und rannte zu seinem Wagen zurück. Er suchte die Adresse, die sie ihm gegeben hatte, auf dem Stadtplan. Sah nach einer Fahrt von fünfzehn Minuten aus, der größte Teil der Strecke Richtung Süden auf der Dalmarnock Road. Das Parkhead-Stadion befand sich ganz in der Nähe, aber Celtic hatte kein Heimspiel heute, sodass wohl kaum mit gesperrten Straßen oder Umleitungen zu rechnen war. Dafür hatte der Regen die Kauflustigen und Touristen zurück in ihre Autos gescheucht. Rebus schaute eine Weile nicht auf die Karte und musste prompt feststellen, dass er erneut falsch abgebogen war und nun Richtung Cambusland fuhr. Er hielt am Straßenrand an und wollte warten, bis er auf der Fahrbahn kehrtmachen konnte, als plötzlich die hinteren Türen aufgerissen wurden und sich zwei Männer auf den Rücksitz fallen ließen.
    »Danke, Kumpel«, sagte einer von ihnen. Er roch nach Bier und Zigaretten. Sein Lockenkopf triefte vor Nässe, und er schüttelte ihn wie ein Hund.
    »Was zum Teufel soll das?«, fragte Rebus mit lauter Stimme. Er hatte sich umgedreht, damit die beiden seinen Gesichtsausdruck besser einschätzen konnten.
    »Sind Sie nicht unser Minitaxi?«, erkundigte sich der andere. Seine Nase sah aus wie eine Erdbeere, sein Atem roch säuerlich, und seine Zähne waren schwarz von dunklem Rum.
    »Seh ich etwa so aus oder was?«, schrie Rebus.
    »Tschuldigung, Kumpel, tschuldigung… war echt’n Missverständnis.«
    »Genau, sollte kein Überfall werden«, fügte sein Kollege hinzu. Durchs linke Seitenfenster entdeckte Rebus den Pub, aus dem sie soeben gekommen waren. Ytong-Steine und eine solide Tür – keine Fenster. Die beiden machten Anstalten auszusteigen.
    »Ihr Jungs seid nicht zufällig nach Wardlawhill unterwegs?«, fragte Rebus in ruhigerem Tonfall.
    »Normalerweise fahren wir per Anhalter, aber bei dem Regen…«
    Rebus nickte. »Na, wie wär’s, wenn ich euch dort am Gemeindezentrum rauslasse?«
    Die Männer blickten erst einander, dann Rebus an. »Und wie viel soll das kosten?«
    Rebus wischte ihr Misstrauen mit einer Handbewegung beiseite. »Ich spiele hier gerade den guten Samariter.«
    »Willst du uns bekehren oder was?« Der Mann starrte ihn finster an.
    Rebus lachte. »Keine Angst, ich hab nicht vor, euch ›den Weg zu zeigen‹ oder irgendwas in der Art.« Er überlegte einen Augenblick. »Genau genommen verhält es sich genau umgekehrt.«
    »Hä?«
    »Ihr müsst mir den Weg zeigen.«
    Als sie nach einer kurzen, verwinkelten Fahrt durch das Wohnviertel ihr Ziel erreichten, waren sie schon beim Vornamen angelangt, und Rebus fragte, ob sie denn nicht vorhätten, an der Gemeindeversammlung teilzunehmen.
    »Immer schön den Ball flach halten, das war schon immer meine Devise«, lautete die Antwort.
    Als sie vor dem einstöckigen Gebäude hielten, hatte der Regen etwas nachgelassen. Genau wie der Pub schien auch dieses Gebäude auf den ersten Blick keine Fenster zu haben, doch bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass die sich auf der Vorderseite ganz oben befanden, knapp unter den Dachbalken. Rebus schüttelte seinen beiden Fremdenführern die Hand.
    »Mal sehen, ob du hier auch wieder rausfindest…«, meinten sie lachend. Rebus nickte und lächelte. Er hatte sich auch schon gefragt, ob er die Autobahn nach Edinburgh je wiederfinden würde. Keiner seiner Passagiere hatte wissen wollen, warum sich jemand von außerhalb für die Gemeindeversammlung interessierte. Rebus schrieb auch das ihrer Lebensphilosophie zu: den Ball flach halten. Wer keine Fragen stellte, musste sich auch nicht vorwerfen lassen, seine Nase in Dinge zu stecken, die ihn nichts angingen. In mancherlei Hinsicht sicherlich keine schlechte Einstellung, aber er hatte noch nie danach gelebt und würde es auch in Zukunft nicht tun.
    Vor dem Haupteingang drängte sich eine kleine Gruppe Menschen. Nachdem er sich von seinen Fahrgästen verabschiedet hatte, parkte Rebus so dicht wie möglich vorm Eingang. Er befürchtete schon, dass die Versammlung beendet war und er Mo Dirwan verpasst hatte. Doch als er näher kam, wurde ihm klar, dass

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