So soll er sterben

entsprechend. Ellen Wylie wäre beinahe ausgerastet.« Er schilderte, was in der Anstalt passiert war. »Was meinen Sie, warum sie so reagiert hat?«
    »Natürliche Abneigung gegen Ungerechtigkeit?«, schlug Siobhan vor. »Vielleicht ist sie ausländischer Herkunft.«
    »So wie ich, meinen Sie?«
    »Wenn ich mich recht entsinne, stammt Ihre Familie aus Polen.«
    »Mein Großvater war Pole.«
    »Möglicherweise haben Sie immer noch Verwandte dort.«
    »Weiß der Geier.«
    »Vergessen Sie bitte nicht, dass auch ich Ausländerin bin. Beide Eltern Engländer… südlich der Grenze aufgewachsen.«
    »Aber Sie wurden hier geboren.«
    »Und bin verschleppt worden, noch ehe ich aus den Windeln war.«
    »Trotzdem sind Sie Schottin. Versuchen Sie nicht, mir mit irgendwelchen Spitzfindigkeiten zu kommen.«
    »Ich meine bloß…«
    »Das schottische Volk ist eine Promenadenmischung – seit jeher. Unser Land wurde von den Iren besiedelt, von den Wikingern vergewaltigt und geplündert. Als ich klein war, wurde fast jede Pommesbude von Italienern betrieben. Ich hatte Klassenkameraden mit polnischen und russischen Nachnamen…« Er starrte in sein Glas. »Aber ich erinnere mich nicht, dass man deswegen jemanden erstochen hat.«
    »Sie sind in einer Kleinstadt aufgewachsen.«
    »Ja, und?«
    »Vielleicht ist Knoxland schlicht und einfach anders.«
    Er nickte zustimmend und leerte sein Glas. »Gehen wir.«
    »Ich hab noch nicht ausgetrunken.«
    »Sind Sie etwa eine Drückebergerin, DC Clarke?«
    Ihr lag eine Erwiderung auf der Zunge, aber sie stand schweigend auf.
    »Waren Sie schon mal in einem dieser Läden?«
    »Ein paar Mal«, gab er zu. »Junggesellenabschiede.«
    Sie hatten in der Bread Street vor einem ziemlich teuren Hotel geparkt. Rebus fragte sich, was wohl in den Touristen vorging, wenn Sie aus der eleganten Lobby auf die Straße traten und sich plötzlich im Pussydreieck wiederfanden. Das Areal erstreckte sich von den Stripklubs in Tollcross und an der Lothian Road bis zur Lady Lawson Street. Die Klubs warben mit Versprechungen wie »geile Möpse«, »VIP-Table-dance« und »Nonstop-Action«. Es gab nur einen einzigen, eher unauffälligen Sexshop und kein Anzeichen dafür, dass die Damen vom Straßenstrich in Leith ihre Wirkungsstätte hierher verlegt hatten.
    »Das ruft alte Erinnerungen wach«, gab Rebus zu. »Sie waren in den Siebzigern noch nicht hier, oder? Mittags Gogo-Tänzerinnen in den Pubs… ein Sexkino in der Nähe der Uni…«
    »Freut mich, Sie in so nostalgischer Stimmung zu erleben«, bemerkte Siobhan kühl.
    Ihr Ziel war ein ehemaliger Pub gegenüber einem leer stehenden Laden. Rebus erinnerte sich an mehrere der früheren Namen: The Laurie Tavern, The Wheaten Inn, The Snakepit. Neuerdings hieß es jedoch The Nook. Ein Schild an einem großen geschwärzten Fenster verkündete »Die schärfsten Frauen der Stadt« und versprach den sofortigen Erhalt einer »goldenen Mitgliedskarte«. Zwei Türsteher sollten Betrunkene und andere unliebsame Gestalten fern halten. Beide waren massig und kahl rasiert. Sie trugen identische anthrazitgraue Anzüge, schwarze Hemden mit offenem Kragen und hatten einen Knopf im Ohr, damit man sie alarmieren konnte, falls es drinnen Ärger gab.
    »Tweedledum und Tweedledümmer«, sagte Siobhan halblaut. Die beiden starrten sie an, da Frauen nicht zur Zielgruppe des Nook gehörten.
    »Tut mir Leid, keine Paare«, sagte einer der beiden.
    »Hallo, Bob«, erwiderte Rebus. »Seit wann sind Sie wieder draußen?«
    Es dauerte einen Moment, bis der Türsteher ihn einsortiert hatte. «Sie sehen gut aus, Mr. Rebus.«
    »Sie auch. Wie’s scheint, haben Sie regelmäßig den Kraftraum in Saughton benutzt.« Rebus wandte sich an Siobhan. »Darf ich Ihnen Bob Dodds vorstellen. Bob hat sechs Jahre für einen Fall von ziemlich schwerer Körperverletzung bekommen.«
    »Wurde bei der Revision verringert«, fügte Dodds hinzu. »Und das Schwein hatte es nicht anders verdient.«
    »Er hatte mit Ihrer Schwester Schluss gemacht… war doch so, oder? Sie sind daraufhin mit einem Baseballschläger und einem Teppichmesser auf ihn losgegangen. Und hier sind Sie nun, in der Blüte Ihrer Jahre«, Rebus lächelte über das ganze Gesicht, »und erweisen sich als nützliches Mitglied der Gesellschaft.«
    »Sind Sie ein Bulle?« Der andere Türsteher hatte es endlich kapiert.
    »Ich auch«, erklärte Siobhan. »Und das bedeutet, ob Paar oder nicht, wir gehen rein.«
    »Wollen Sie mit dem Geschäftsführer