So soll er sterben
Rebus schenkte Bullen ein Lächeln.
»Na, wie sieht’s jetzt mit der ›erfreulichen Perspektive‹ aus, von der Sie eben sprachen?«
»Ich kenne Sie«, entgegnete Bullen und drohte mit einem Finger. »Sie sind der Bulle, den Cafferty in der Hand hat.«
»Tatsächlich?«
»Das sagen alle.«
»Dann hat es wohl wenig Sinn zu widersprechen, oder?«
Rebus wandte sich um und folgte Siobhan. Er war zufrieden mit sich, weil er sich von dem Stinktier nicht hatte provozieren lassen. Big Ger Cafferty war viele Jahre der Boss der Edinburgher Unterwelt gewesen. Inzwischen lebte er ein geruhsameres Leben – zumindest nach außen hin, denn bei Cafferty konnte man sich nie sicher sein. Es stimmte, dass Rebus und er sich kannten. Davon abgesehen hatte Bullen Rebus auf eine Idee gebracht: Wenn es einen Menschen gab, der wusste, was eine zwielichtige Glasgower Gestalt wie Bullen bewogen hatte, seine angestammte Wirkungsstätte zu verlassen und sich auf der anderen Seite des Landes anzusiedeln, dann war das Morris Gerald Cafferty.
Siobhan hatte sich auf einen der Barhocker an der Theke niedergelassen, denn die Geschäftsleute waren an einen Tisch umgezogen. Rebus gesellte sich zu ihr, sehr zur Beruhigung des Barkeepers, der hier wahrscheinlich noch nie eine einzelne Frau hatte bedienen müssen.
»Für mich eine Flasche Ihres besten Biers«, lautete Rebus Bestellung. »Und die Dame bekommt, was immer sie haben will.«
»Cola light«, sagte sie zum Barkeeper. Er brachte die Getränke.
»Sechs Pfund.«
»Mr. Bullen meinte, das geht aufs Haus«, informierte er ihn zwinkernd. »Er will uns bei Laune halten.«
»Haben Sie dieses Mädchen schon mal hier gesehen?«, fragte Siobhan und zeigte ihm das Foto.
»Irgendwie kommt sie mir bekannt vor… aber andererseits sehen viele Mädchen so aus.«
»Wie heißen Sie, mein Sohn?«, fragte Rebus.
Man sah deutlich, dass dem Barkeeper die Bezeichnung »Sohn« gegen den Strich ging. Er war Anfang zwanzig, klein und drahtig. Ein weißes T-Shirt – womöglich der Versuch, den Stil des Chefs nachzuahmen. Haar mit Gel stachelig in die Höhe frisiert. Er trug denselben Knopf im Ohr wie die Türsteher. Das andere Ohr zierten zwei Ohrstecker.
»Barney Grant.«
»Arbeiten Sie schon lange hier, Barney?«
»Zwei Jahre.«
»In einem Laden wie dem sind Sie wahrscheinlich der Dienstälteste.«
»Niemand ist so lange hier wie ich«, bestätigte Grant.
»Ich wette, dass Sie schon so einiges erlebt haben.«
Grant nickte. »Aber eins habe ich noch nie erlebt, nämlich, dass Stuart jemand einen Drink spendiert.« Er streckte die Hand aus. »Sechs Pfund, bitte.«
»Ich bewundere Ihre Hartnäckigkeit, mein Sohn.« Rebus gab ihm das Geld. »Was ist das für ein Akzent, den Sie sprechen?«
»Australisch. Und wissen Sie, was – ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter, und ich glaube, ich erinnere mich an Ihres.«
»Ich war vor ein paar Monaten hier… Junggesellenabschied. Bin aber nicht lange geblieben.«
»Zurück zu Ishbel Jardine, denn so heißt das Mädchen«, mischte Siobhan sich ein. »Sie glauben, sie möglicherweise hier gesehen zu haben.«
Grant schaute sich das Foto ein zweites Mal an. »Oder auch nicht. Bin in vielen Klubs und Pubs… könnte irgendwo anders gewesen sein.« Er brachte das Geld zur Kasse. Siobhan drehte sich um, weil sie sich den Raum näher ansehen wollte, und bereute es sofort. Eine der Tänzerinnen steuerte mit einem der Anzugträger im Schlepptau die Solokabine an. Eine andere, dieselbe, die sich vorhin völlig auf die Musik konzentriert hatte, glitt nun an der Metallstange auf und nieder, allerdings ohne ihren Tangaslip.
»Mein Gott, wie widerwärtig«, sagte sie zu Rebus. »Was zum Teufel habt ihr Männer davon?«
»Eine deutlich leichtere Brieftasche«, entgegnete er.
Siobhan wandte sich wieder an Grant. »Wie viel Geld nehmen die Frauen?«
»Zehn Pfund pro Tanz. Dauert ein paar Minuten, anfassen verboten.«
»Und in der Solokabine?«
»Keine Ahnung.«
»Warum nicht.«
»Bin nie dabei. Wollen Sie noch was trinken?« Er deutete auf ihr Glas, das genauso viel Eis enthielt wie zuvor, aber ansonsten leer war.
»Alter Trick«, erklärte Rebus ihr. »Je mehr Eis man rein tut, desto weniger Platz bleibt für das, was man eigentlich bestellt hat.«
»Nein, vielen Dank«, sagte sie zu Grant. »Glauben Sie, die Tänzerinnen würden mit uns reden?«
»Warum sollten Sie?«
»Und wenn ich Ihnen das Foto dalasse – würden Sie es dann
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