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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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trügerisch verständnisvoll.
    »Auf dem Anrufbeantworter ist eine Nachricht für dich. Nur für den Fall, dass du sie hören willst.«
    Er klang so vorwurfsvoll, dass ich mich einen Moment lang unwillkürlich fragte, ob ich eine Affäre hatte. Ich ging zum Anrufbeantworter. Offenbar hatte er die Nachricht bereits abgehört, denn das Lämpchen blinkte nicht. Ich drückte die Abspieltaste. Im ersten Moment erkannte ich Amys Stimme nicht, weil sie so heiser klang. »Caroline, Joe!«, rief sie aufgeregt. »Hier ist Amy. Caroline, es war so schön, dich im Park zu sehen. Hört mal, ich wollte nächste Woche nach Cornwall fahren. Dad überlässt mir das Cottage. Bitte, kommt mit. Komm schon, Caroline. Kein Wenn, kein Aber. Und, Joe, du musst auch mitkommen. Du musst sie überreden, mitzufahren! Ruft mich an!«
    Ich sah Joe an, der inzwischen mit seinem Bier in der Hand dastand und mich, eine Hand in die Hüfte gestemmt, kampflustig ansah.
    »Wie nett!«, sagte er sarkastisch. »Schon merkwürdig, dass du nicht erwähnt hast, dass du dich mit ihr getroffen hast. Oder mir gar davon erzählt hast, dass du sie überhaupt kennst.«
    Was sollte ich darauf sagen? Ich biss mir auf die Lippe. Sein sarkastisches Polizistengehabe fand ich widerlich. Ich trat ans Fenster und sah einer Frau auf der anderen Straßenseite zu, die ihren Müll in die Tonne warf.
    »Verrate mir nur eines. Nur eines …«, sagte er. »Wie heißt du?«
    »Früher war ich Caroline, aber heute bin ich Lorrie. Ich habe meinen Namen geändert, als ich von zu Hause weggegangen bin«, antwortete ich so ruhig wie möglich, um seine wachsende Wut zu dämpfen.
    Er lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. »Lorrie, Caroline, oder wie du auch immer heißen magst. Ich kann das nicht mehr. Ich kann einfach nicht. Ich habe die Nase voll. Gott allein weiß, wie viele Lügen du mir sonst noch aufgetischt hast. Ich gehe. Ich ziehe aus.«
    Er trat in die Küche und begann demonstrativ aufzuräumen. Ich war sprachlos. Er ließ mich sitzen.
    »Was?«, fragte ich entsetzt.
    »Du hast mich genau verstanden.«
    Nein, das war nicht richtig. Joe wollte mit mir Schluss machen. Ich durfte Joe aber nicht verlieren. Er war wahnsinnig wichtig für mich. Ich liebte ihn.
    »Joe, warte doch. Bitte.« Mit einem Aufschrei taumelte ich hinter ihm in die Küche. »Bitte bleib. Nur noch ein bisschen. Es tut mir leid. Ja, ich habe mich mit ihr getroffen. Wir waren in derselben Klasse. Amy und ich.«
    »Ihr seid zusammen zur Schule gegangen? Weshalb dann dieses Theater?«
    Ich sah ihm in die Augen. Er war wirklich böse auf mich.
    »Kein Theater.«
    Seufzend senkte er den Kopf, strich sich über die Stirn und verlagerte das Gewicht auf ein Bein.
    »Du kapierst es einfach nicht, Lorrie. Wieso diese Geheimniskrämerei?«
    »Das willst du nicht wissen.«
    »Doch, will ich!« Wieder schwoll seine Stimme an. »Ich will es wissen.«
    »Schlimme Dinge.«
    »Was heißt das? Schlimme Dinge? Hat es etwas mit deinen Eltern zu tun?«
    »Nicht, Joe!«
    »Hat dein Vater dich missbraucht, Lorrie?«
    Einen Moment lang war ich versucht zu bejahen, um seiner Fragerei ein bequemes Ende zu bereiten.
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Es war eine merkwürdige Schule, Joe.«
    »Inwiefern merkwürdig?«
    Ich sah ihn flehend an, bettelte ihn mit den Augen förmlich an, mich nicht weiter zu bedrängen. Sekundenlang verharrten wir so.
    Schließlich seufzte er. »Du brauchst es mir nicht zu erzählen«, sagte er sanft. »Aber ich bin mit meinem Latein wirklich am Ende, Lorrie.«
    »Bitte, lass mich nicht allein, Joe. Bitte. Ich brauche dich.«
    Er lehnte sich gegen die Arbeitsplatte und senkte den Kopf.
    »Möchtest du gern nach Cornwall fahren?«, fragte er.
    O Gott. Nein. Ja. Keine Ahnung. War es ungefährlich? Amy hatte nichts mehr mit der Organisation zu tun. Ach Mist, wenn ich dadurch verhindern konnte, dass Joe mich verließ, dann ja.
    »Ich denke schon. Aber nur, wenn du mitkommst. Du kommst doch mit?«
    Er verdrehte die Augen. »Du bist schon ein verrücktes Huhn«, sagte er, wenn auch in einem Tonfall, der ahnen ließ, dass er Hühner mochte.
    Die A  303 ist eine wunderschöne Straße. Sie führt vorbei an Dörfern mit drolligen Namen, an von Bäumen gesäumten Landstraßen, deren Kronen sich über einem zu einem Blätterdach vereinen, und an sanft geschwungenen grünen Hügellandschaften wie aus dem Bilderbuch. Die Spätnachmittagssonne warf lange Schatten über die Felder, und alles erstrahlte in

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