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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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einem goldenen Licht. Ich liebe Autofahrten, diese Verträumtheit, das Gefühl, in einer anderen Welt zu sein, wie es sich nur einstellt, wenn man über Stunden die Straßen entlangfährt. Ich sah zu Joe hinüber, der gedankenverloren die Unterlippe vorgeschoben hatte und konzentriert auf die Straße blickte. Tilly hatte sich auf dem Rücksitz auf einer Decke ausgebreitet und entblößte ihren weißen Bauch. Ich konnte dem Drang nicht widerstehen, kurz über ihr heißes, nach Weizenkeksen riechendes Fell zu streicheln. Nach außen hin wirkten wir wie eine kleine glückliche Familie.
    Als Nächstes ließ ich eine großzügige Handvoll Gummibärchen in Joes Schoß regnen, ehe ich mich über den Rest der Tüte hermachte.
    An jenem Abend, als er erklärt hatte, unsere Beziehung sei beendet, hatten wir miteinander geschlafen. Ich war diejenige gewesen, die die Initiative ergriffen hatte. Ich hatte es gebraucht. Und seine Bewegungen hatten eine nicht zu leugnende Dringlichkeit an sich gehabt. Wir wussten beide, dass es eine Letzte-Chance-Nummer war, was dem Ganzen etwas Verzweifeltes, Verkrampftes verliehen hatte. »Ich werde dich kriegen, auf die eine oder andere Art, Lorrie Fischer, Caroline Stern, oder wer zum Teufel du auch sein magst«, hatte er währenddessen gesagt. Ich liebe diese Macho-Sprüche.
    »Wow!«, sagte er, als wir um eine Biegung kamen und Stonehenge rechts von uns auftauchte.
    »Mmm«, pflichtete ich gedankenverloren bei. Die Aussicht, bei Amy zu übernachten, machte mich nervös. Gleichzeitig war ich gespannt darauf – ein Gefühl, das ich tief in meinem Bauch spürte. Ich hatte mir angewöhnt, genau Buch darüber zu führen, welche körperlichen Reaktionen meine Gedanken auslösten.
    Als wir die A  30 endlich erreichten, war es bereits dunkel, und der Himmel wurde lediglich von einer gelben Mondsichel erhellt. Ich kurbelte das Fenster herunter, so dass ein Schwall kalter Luft hereinströmte. Tilly hievte sich hoch und streckte neben mir den Kopf aus dem Fenster. Ich konnte das Meer riechen. Meine Stimmung hob sich schlagartig, als wir auf die Küstenstraße einbogen und ich einen Blick auf den Atlantik erhaschte: tiefschwarze Wellen mit weißen Schaumkronen, die donnernd im Mondschein ans Ufer krachten. Ich hatte vollkommen vergessen, wie wunderschön es hier war, wie die Landschaft einem den Atem raubte.
    Die Häuser standen auf einer Klippe über dem Meer, das an dieser Stelle mit solcher Wucht auf die Felsen schlägt, dass sich immer wieder Brocken lösen und mitgerissen werden – der sichtbare Beweis dafür, dass über kurz oder lang alles irgendwann nachgibt, wenn der Druck nur groß genug ist.
    »Wohin jetzt?«, fragte Joe.
    Verdammt, in der Dunkelheit sah alles völlig anders aus. Und ich war seit sechsundzwanzig Jahren nicht mehr hier gewesen. »Äh … eine dieser Abzweigungen muss es sein. Vielleicht sind wir ja dran vorbeigefahren. Kehr um.«
    Wir kurvten eine Weile herum, doch ich erkannte nichts wieder. Ich beschloss, Amy anzurufen, stellte jedoch fest, dass ich keinen Empfang auf dem Handy bekam. Herrgott, dieses Landleben! Wie kommunizierten die Leute hier? Mit Rauchzeichen? Als wir den Hügel erreichten, den wir zuvor heruntergefahren waren, bekam ich endlich ein Signal. Joe hielt an, und ich wählte die Nummer des Häuschens.
    »Amy?«, fragte ich. Im Hintergrund war Stimmengewirr zu hören. Ich wusste, dass sie sechs Kinder hatte, allerdings hörte es sich an, als sei eine Riesenparty im Gange.
    »Caroline! Wo seid ihr denn?«
    »Ganz in der Nähe. Auf einem Hügel neben dem Straßenschild. Welche Abzweigung müssen wir nehmen?«
    »Oh, super! Die dritte rechts. Megan und Co. sind auch da. Und Marcus!«
    »Was?« Es fühlte sich an, als hätte mir jemand einen Tritt in die Magengrube versetzt. Mein Herz begann zu hämmern. Ich riss die Tür auf und stieg aus. Die kalte Luft schlug mir entgegen, und meine Beine fühlten sich nach der langen Fahrt taub an.
    »Amy …«, flüsterte ich und ging hinten um den Wagen herum, während Joe ebenfalls ausstieg, um sich die Beine zu vertreten. »Amy, hör zu. Du hast nie etwas davon gesagt, dass die anderen auch kommen würden. Ich kann nicht darüber reden … Du hast es versprochen. Wenn irgendjemand sie erwähnt, reise ich auf der Stelle ab. Verstanden?«
    Ich spürte Panik in mir aufsteigen. Ich konnte mich nicht einmal überwinden, Miss Fowlers Namen auszusprechen, als ließe sie allein das wiederauferstehen.
    »Ja, ich habe ihnen

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