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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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sah ich mich mit einer abrupten Bewegung aufstehen, zum Telefon gehen, den Hörer abheben, durch mein Adressbuch blättern und eine Nummer wählen. In dem Moment als sich jemand am anderen Ende der Leitung meldete, kam ich wieder zu mir.
    »Hallo?«, sagte eine Männerstimme.
    »Hallo? Könnte ich bitte Amy Jones sprechen?«
    »Amy Jones? Sie meinen Amy Johnson?«
    »Oh, ja, mag sein.«
    »Bleiben Sie dran. Amy? Für dich.«
    Ich wartete. Im Hintergrund bellte ein Hund.
    »Hallo?« Amys Stimme war im Lauf der Jahre erstaunlich heiser geworden.
    »Amy Jones … ich bin’s.«
    Sie hielt inne.
    »Caroline!«, sagte sie dann leise. Sie klang nicht einmal überrascht. »Ich dachte mir schon, dass du dich melden würdest.«
    Es schüttete wie aus Eimern, und bis auf ein paar vereinzelte Spaziergänger war The Heath völlig verwaist. Es war kalt und unwirtlich, als ich zwischen den kahlen Baumskeletten umherging. Ein Tag, wie er trübseliger nicht sein könnte. Und auch Tilly machte der Spaziergang offenkundig keinen Spaß. Mit eingezogenem Schwanz und hängenden Ohren trottete sie dahin. Sie hasste Regen.
    Dank Tillys merkwürdigem Äußerem wurde ich automatisch in ein Gespräch verwickelt, wann immer ich an einem anderen Hundebesitzer vorbeikam. Um ihren Hals hing ein breiter schwarzer Riemen, an dem ein großer schwarzer Behälter befestigt war. Sobald sie auf einen Radfahrer, ein Pferd oder einen Jogger losging oder einen anderen Hund auch nur mit dem leisesten Bellen bedrohte, durfte ich unter keinen Umständen ihren Namen rufen, sondern musste lediglich den Arm heben und mit einer Fernbedienung auf sie zielen. Auf Knopfdruck schoss ihr eine Salve Citronella aus dem Behälter ins Gesicht. Ihr Hundehirn brachte dieses unerfreuliche Erlebnis mit dem Hund, Radfahrer, Pferd oder sonst wem in Verbindung, sodass sie automatisch einen Rückzieher machte. Allerdings kostete es mich große Überwindung, sie nicht in derselben Sekunde anzuschreien, sodass Tilly innerhalb kürzester Zeit die stinkende Ladung aus dem Behälter eher mit mir in Verbindung brachte als mit dem Objekt ihres Angriffs. Mittlerweile bedachte sie mich mit exakt demselben Blick wie Joe bei meinem Geständnis – gekränkt und zutiefst verletzt von meiner Bösartigkeit.
    Wenn sich meine eigenen Verhaltensprobleme doch auch nur mit einer Portion Citronella lösen ließen. Ich litt noch immer an Albträumen und war nach unten aufs Sofa umgezogen, was bei unserem nicht existenten Liebesleben allerdings sowieso keinen Unterschied machte. Ich war immer noch nicht sicher, ob ich diese Beziehung weiterführen konnte, allerdings war mir klar, dass Joe mir nicht länger vertraute. Er wusste, dass da noch mehr Lügen waren, was mich wiederum reizbar machte. Es war nicht fair ihm gegenüber, schließlich hatte er ja keine Ahnung, gegen welche Fronten er kämpfte.
    Ich merkte, wie mir der Regen in die Jacke lief, und schlug den Kragen hoch. Ehe ich michs versah, hatte Tilly sich mit zwei Dalmatinern angelegt und raufte mit ihnen. Ich kramte in meiner durchnässten Jackentasche nach der Fernbedienung, zielte auf das Gewirr aus Fell und Hundeköpfen und drückte ab. Nichts. Das Ding war klatschnass. Verdammt! Ich drückte ein zweites Mal und – zack! Die drei Hunde stoben so abrupt auseinander, als hätte ihnen jemand Feuerwerkskörper in den Hintern geschoben.
    Der Besitzer der Dalmatiner war mächtig beeindruckt und erkundigte sich nach der Funktionsweise des Apparats, doch ich hatte keine Lust auf eine Unterhaltung. Ich war viel zu angespannt. Zur Strafe nahm ich Tilly an die Leine und schlug den Weg in Richtung Kenwood House ein. Doch sobald sie zu ziehen und zu zerren begann, ließ ich sie wieder laufen.
    Wir hatten vereinbart, uns vor dem Café zu treffen, aber wahrscheinlich hatte sie sich entschieden, nicht im strömenden Regen draußen vor der Tür zu warten.
    Als ich näher kam, fragte ich mich, was zum Teufel ich hier eigentlich tat. Noch war es nicht zu spät. Ich konnte umkehren, konnte in mein altes Leben zurückkehren, zu Joe, zu meinen Geheimnissen. Doch ein Teil von mir wusste, dass ich keine Wahl hatte. Dass ich bereits im Achterbahn-Waggon saß und nicht aussteigen konnte. Noch nicht.
    Ich hatte richtig vermutet. Da war sie. Sie saß an einem Tisch am Fenster in dem ansonsten leeren Café. Ich sah sie als Erste. Ihre Züge waren entspannt, ihr Gesicht immer noch hübsch, wenn auch etwas runder, ebenso wie ihr Körper. Ihr kurz geschnittenes Haar war

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