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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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Grey und dem Gehirnwäschegeschirr. Es war, als lägen Welten zwischen uns. Doch dann reichte er mir ein Glas Weißwein. Unsere Finger berührten sich, und mit einem Mal waren die Millionen Lichtjahre, die uns trennten, vergessen. Wir sahen einander einen Moment zu lange in die Augen, ehe ich mich neben Joe auf das niedrige Sofa setzte. Joe legte mir eine Hand auf den Oberschenkel und begann ihn zu streicheln. Ich sah, wie Steinberg sich abwandte.
    Nach einer Weile, nachdem Megan und ich die Männer unter dem Vorwand zurückgelassen hatten, dass sie mir das Haus zeigen wollte, folgte ich ihr in ihrem ziemlich gewagten, etwas zu engen Rock die Treppe hinauf.
    »Oh, sieh dir das an!« Ich blieb stehen. Da, inmitten von anderen Bildern, hing Megans Zeichnung des blühenden Kirschbaums.
    »Ach, das«, wiegelte sie ab. »Meine Mum hat es rahmen lassen.«
    Wieder fühlte ich mich zu jenem Tag zurückversetzt, als wir das Bild gemalt hatten. Megans Skizze sah vollkommen anders aus als Amys – groß und bunt, aber ebenso schön wie ihre. Ich konnte mich nicht einmal erinnern, wie mein Bild ausgesehen hatte.
    Megan stand auf dem oberen Treppenabsatz und bedeutete mir, ihr in ein dunkles Zimmer zu folgen. Die kleine Caroline lag tief schlafend in ihrem Bettchen – ihr Daumen, an dem sie unübersehbar gerade noch genuckelt hatte, war zwischen ihren rosigen Kinderlippen herausgeglitten und glitzerte leicht. Sie sah geradezu unerträglich süß aus, und ich ertappte mich dabei, dass ich Megan um ihr Familienidyll beneidete, während mich zugleich tiefe Schuldgefühle überkamen, weil ich es so jäh zerstörte.
    »Komm«, flüsterte Megan und zog Carolines Decke ein Stück hoch. Ich folgte ihr in den angrenzenden Raum, jenes Zimmer, in dem ihre und Steinbergs Kinder entstanden waren.
    »Hübsches Schlafzimmer«, hörte ich mich sagen, mit dem Unterschied, dass ich es diesmal auch so meinte. Obwohl es ziemlich bizarr war, das Schlafzimmer seines Geliebten von der Frau gezeigt zu bekommen, die er mit einem betrog. Der Raum war erstaunlich unaufgeräumt, ebenso wie der Rest des Hauses. Erstaunlich deshalb, weil Megans Mutter geradezu peinlich auf Ordnung und Sauberkeit bedacht gewesen war, so wie es sich für eine echte Fundamentalistin gehörte. Meine Mutter war schon schlimm genug gewesen, der Putzwahn ihrer Mum hingegen hatte etwas Beängstigendes an sich gehabt. Sie hatte uns gezwungen, die Schuhe auszuziehen und Hausjacken überzustreifen, sobald wir zur Tür hereintraten. Einmal hatte sie mich sogar bestraft, weil ich mich auf Megans Bett gesetzt und damit Falten in die Tagesdecke gemacht hatte. Den gesamten Samstagmorgen hatte ich die Böden schrubben und bohnern müssen. Aber auf Megan hatte offenbar nichts davon abgefärbt; sie war das, was meine Mutter als »Schlampe« bezeichnet hätte – wenn auch nicht im selben Sinne, wie Fowler dieses Wort mir an den Kopf geworfen hatte. Bei uns zu Hause wurde grundsätzlich nichts ausgesprochen, was auch nur ansatzweise mit Sexualität zu tun hatte.
    Unbehaglich sah ich mich um. Steinberg trug Schlafanzüge, wie mir ein unter dem Kissen hervorlugender Zipfel verriet – ein ganz gewöhnlicher Pyjama von Marks & Spencer. Ohne die Warnungen zu beachten, die mein Gehirn absandte, suchte ich instinktiv den Raum nach Hinweisen auf sexuelle Aktivitäten ab. Was war ich doch für eine Heuchlerin!
    Am auffälligsten war die unübersehbare Tatsache, dass sie Eltern waren. Ich hatte noch nie das Schlafzimmer einer Mutter oder eines Vaters betreten – man hatte mir nicht gestattet, einen Fuß in das Schlafzimmer meiner Eltern zu setzen, zumindest nicht, wenn sie sich darin aufhielten –, hätte aber nicht damit gerechnet, überall auf Beweise für ihre Elternschaft zu stoßen: ein zerfledderter Spielzeugelefant, ein bunter Plastikbecher mit einem Hasen darauf, Kinderkleidung, Fläschchen mit rosafarbener Medizin und klebrige weiße Plastiklöffeln und, unnötig zu erwähnen, die verräterischen heiligen Schriften auf beiden Nachttischen.
    Megan kramte in einer von Steinbergs Hosen.
    »Hier«, sagte sie und reichte mir ein zusammengefaltetes Blatt Papier. »Sieh dir das an!«
    Im ersten Moment erkannte ich die Rechnung nicht wieder: Park Hotel. £210. Roomservice, Bollinger Champagner £80.
    Verdammter Mist! »Wo hast du die gefunden?«, fragte ich – es war das Erste, was mir in den Sinn kam.
    Sie stand mit verschränkten Armen gegen die Kommode gelehnt. »In seiner Hose. Dieses miese

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