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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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klang traurig, als wäre er ihr Dad oder so was. »Es ist schrecklich.«
    »Mir blutet regelrecht das Herz«, erklärte ich fröhlich und unterdrückte den Drang, Steinberg einen anständigen Tritt in die Weichteile zu verpassen. In diesem Augenblick läutete das Telefon in der Küche.
    »Das könnte Ellie sein«, sagte Megan mit einem Blick auf Steinberg. Eleanor war Megans Schwester. Ellie? Ellie? Seit wann benutzten sie Kosenamen? Das Telefon verstummte.
    »Mum?«, ertönte Camerons Stimme von oben. »Mum? Es ist Tante Ellie.«
    »Ja-ha! Komm runter und sag hallo, Cam! Herrje, entschuldigt mich bitte, Leute.« Sie stand auf. »Nate, holst du das Sorbet?«
    »Ellie geht es im Moment nicht besonders gut«, erklärte sie, während sie den Raum durchquerte. »Deshalb muss ich rangehen.«
    Cameron erschien im Türrahmen. Seine Ähnlichkeit mit Steinberg war so frappierend, dass ich um ein Haar aufgelacht hätte.
    »Hey, Cameron!«, sagte ich.
    »Hey.« Er küsste mich auf die Wange und tauschte einen coolen, komplizierten Schwarzen-Handschlag mit Joe, den er ihm offenbar in Cornwall beigebracht hatte.
    »Das ist mein Mann!«, verkündete Joe.
    Cameron war so reif und höflich, dass ich nur staunen konnte. Noch nie zuvor war ich einem Teenager wie ihm begegnet.
    »Und Joe ist genau der Mann, den ich brauche«, erwiderte er. Teenager liebten Joe, genau deshalb war er ja so gut in seinem Job. »Ich kriege meine Gitarrensaiten nicht aufgezogen.«
    Gitarre? Offenbar hatte sich tatsächlich einiges verändert. Zu meiner Zeit hatten wir lediglich Klavier, Geige und sonstige Instrumente spielen dürfen, die in Mozarts Kompositionen vorkamen – an dem Tag, als Amadeus in die Kinos gekommen war, hatte der Whopper garantiert seine Strategie ändern müssen.
    »Lass ihn in Ruhe, Cam, Joe isst gerade«, mahnte Steinberg.
    »Kein Problem.« Joe, offensichtlich froh, dem Tisch und damit der spannungsgeladenen Unterhaltung den Rücken kehren zu dürfen, stand auf.
    »Ich hole sie«, sagte Cameron.
    »Nein, ich komme mit. Bei der Gelegenheit kann ich mir auch gleich dein Zimmer ansehen.« Joe folgte Cameron nach oben.
    Damit waren Steinberg und ich unvermittelt und unerwartet allein. Eine Weile starrten wir einander lediglich stumm an, während Van Morrison im Hintergrund Brown-eyed Girl sang. Das einzige Mädchen mit braunen Augen hier war Megan.
    »Wirst du mir jemals verraten, weshalb du so unglaublich wütend bist?«, fragte er mit leisem Tadel.
    »Nein. Wirst du mir jemals verraten, wann du anfängst, für dich selbst zu denken?«
    Er stand auf und schob auf dem Weg zum Kühlschrank die Glastür zu, die die Küche von der Diele trennte.
    Dann holte er das Sorbet heraus, nahm die blau-weißen Schalen und ein paar Löffel und trug alles zum Tisch. Er zog seinen Stuhl um die Tischecke, so dass er unmittelbar neben mir saß, nahm den Deckel vom Sorbet ab, stürzte den Kopf auf den Ellbogen und sah mich fragend an.
    Ich nippte an meinem Wein.
    Unter dem Tisch ergriff er meine Hand und drückte sie behutsam. »Ich wünschte nur, ich wüsste es, das ist alles«, sagte er.
    Mit der anderen Hand griff er nach einem Löffel, kratzte einen dicken Klecks dunkelviolettes Sorbet ab und leckte ihn genüsslich ab. Ich liebte seinen Mund. So sehr, dass ich regelrecht eifersüchtig auf das Sorbet war.
    »Mmm.« Verzückt schloss er die Augen. »Ich liiiiebe Sorbet.«
    Erneut versenkte er den Löffel in der Masse und hielt ihn mir hin. Es war ein gefährliches Spiel, doch ich konnte nicht widerstehen. Ich schob ihn mir in den Mund. Er fütterte mich mit einem weiteren Löffel.
    Dann hob er die Hand, strich mit dem Daumen zärtlich über meine Lippe und leckte ihn ab, ehe er sich mit einer fließenden Bewegung vorbeugte und das Sorbet von meiner Lippe leckte. Ich warf einen Blick in Richtung Tür. Sie stand offen. Wieder spürte ich seine Zunge auf meinen Lippen. In der Sekunde, als seine Lippen meinen Mund berührten, schmolz ich dahin. Wir küssten uns, als hinge unser beider Leben vom Atem des anderen ab.
    Das Schlimmste war, dass sie uns eine ganze Weile zugesehen haben mussten, denn als Steinberg und ich uns nach einer scheinbaren Ewigkeit voneinander lösten, standen sie da – glasklar im Schein der Glastür, die ein Stück weiter aufgeschwungen war, und starrten uns wie gebannt an, Megan und Joe, beide in Ewigkeit erstarrt.

7
    Der Schulgottesdienst fand in St.   Mary’s auf der anderen Straßenseite statt. Der Pfarrer, ein kleiner,

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