So sollst du schweigen: Roman (German Edition)
kannte die Antwort ja bereits.
»Er hat Teer verlegt.«
»Oh«, stieß sie hervor, als hätte sie geglaubt, er sei ein Troubadour auf Wanderschaft gewesen.
Ich spreizte die Beine ein wenig mehr, woraufhin Steinbergs Fuß ein Stück nach oben wanderte.
Joe ließ sich von Megans Erwiderung nicht aus dem Konzept bringen. »Ja, er fand es auch grauenhaft. Am Tag seiner Pensionierung habe ich ihn gefragt, ob er seine Arbeit vermissen würde. ›Nein, ich habe sie gehasst. Jeden einzelnen Tag‹, hat er gesagt.«
»Wie entsetzlich, sein Leben lang etwas tun zu müssen, was man hasst.«
Willkommen in der realen Welt, Megan. Nicht alle sehen das wunderbare Licht der Erleuchtung.
»Lebt er noch?«, bohrte sie weiter.
»Nein, er ist vor ein paar Jahren gestorben.«
»Ach je.«
Doch in ihrem Tonfall lag keine Trauer, denn das Leben nach dem Tode stand für sie so unumstößlich fest, dass es nichts gab, worüber man traurig sein müsste.
Steinbergs Fuß arbeitete sich langsam auf der Innenseite meines Oberschenkels entlang nach oben, so dass ich mehr und mehr Mühe hatte, mich zu konzentrieren. Ich war erregt und gierte nach ihm.
»Aber meine Mutter lebt noch und ist quietschfidel«, sagte Joe gerade. »Sie ist Sozialarbeiterin.«
»Wirklich?«, sagte Megan.
Wenigstens wusste sie, was eine Sozialarbeiterin war, auch wenn in der Organisation gewiss kein Bedarf an diesem Berufszweig war. Stattdessen gab es Gruppenleiter, an die man sich mit seinen Problemen wenden konnte und die ihre Ausbildung bei der Organisation genossen hatten, sprich, keine besaßen.
Bitte, bitte, noch ein Stück höher, Steinberg. Die Lust brannte förmlich zwischen meinen Schenkeln.
»Könntest du den Korkenzieher holen, Nate?«, bat Megan, und Steinbergs Fuß kam jäh zum Stillstand. Er wartete einen Moment, dann stand er auf und warf mir einen Blick zu, als wolle er sagen: »Nur Geduld, Caroline, nur Geduld.« Er wandte sich eilig ab. Aus gutem Grund. Ich sah zu Joe hinüber, ob er gesehen hatte, was ich gesehen hatte. Steinberg trödelte eine ganze Weile in der Küche herum.
»Caroline«, sagte Megan. »Mir ist klar, dass du gleich wütend auf mich wirst, aber ich habe versprochen, dass ich dich frage, und ich werde es auch nie wieder tun, aber, na ja, deine Mutter möchte, dass ich ihr deine Telefonnummer gebe.«
»Nein, lass es«, stieß ich barsch hervor.
»Oh, Caroline, aber sie würde dich so gern sehen.«
»Sag ihr, dass es dafür ein bisschen spät ist.«
»Es geht ihr nicht gut«, fuhr sie leise und mit einem flehenden Blick fort. »Sie braucht dich.«
Ich spürte, wie Übelkeit in mir aufstieg; Übelkeit, gepaart mit Wut. Wo zum Teufel war sie gewesen, als ich sie gebraucht hatte?
»Okay, Megan«, sagte ich, ebenfalls mit leiser Stimme, »du hast gefragt, und die Antwort lautet Nein.«
Steinberg kehrte zurück, setzte sich hin und schenkte nach.
»Aber ich sehe sie ständig, und sie ist so verzweifelt und …«, fuhr Megan fort. Sie war schon immer etwas schwer von Begriff gewesen.
»Megan!« Steinberg hob leicht die Stimme. »Caroline hat dir doch eine klare Antwort gegeben.«
Ich war ihm unendlich dankbar. In diesem Moment bemerkte ich, wie Megan Joe einen Blick zuwarf, als wollte sie sagen »Rede du doch mal mit ihr und bring sie zur Vernunft.«
Joe wechselte das Thema, während ich Steinberg ansah. Los, los, los, wo waren wir stehen geblieben? Aber dieses Gerede über meine Mutter hatte alles ruiniert.
»Was ich euch schon die ganze Zeit fragen wollte«, sagte ich zu Steinberg und Megan, »lebt eigentlich der Whopper noch?«
Währenddessen zog ich meine hochhackigen Schuhe aus und hob mit den Zehen den Saum von Steinbergs Hosen an.
»Wer ist der Whopper?« fragte er, sichtlich erleichtert, einen Grund zu haben, mir in die Augen zu sehen, während er die Hand um meinen Fuß legte und ihn behutsam drückte.
»Wapinski«, erwiderte ich, wobei ich jede einzelne Silbe betonte und die Schockiertheit in seinen Augen aufblitzen sah, ehe er angesichts dieser Blasphemie lächelte. »Du weißt schon – absolute Macht und so«, fügte ich hinzu.
Ich schob meinen Fuß ein Stück weiter an der Innenseite seines Schenkels empor.
»Ja, er lebt noch«, sagte Megan. »Aber, der arme Sir ist seit vielen Jahren schon schwer krank.«
»Sir?«, wiederholte ich. Sie nannten ihn »Sir«. Ich hätte mich am liebsten übergeben.
Megan wandte sich mir zu. »Seit Jahren darf ihn niemand mehr besuchen, weil er zu krank ist.« Sie
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