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So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

So sollst du schweigen: Roman (German Edition)

Titel: So sollst du schweigen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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sich mein Leben von Grund auf. Ungläubig starrte ich auf die zwei rosa Streifen.
    Das durfte nicht wahr sein. Bestimmt lag ein Irrtum vor. Ich ging ins Café, setzte mich an die Theke und leerte eine ganze Karaffe Wasser, bis ich erneut pinkeln musste. Ich trat in eine freie Kabine, riss den zweiten Test auf und pinkelte auf das Stäbchen. Positiv. Zwei rosa Striche. Ich war eindeutig schwanger.
    Ich saß auf der Toilette und wiegte mich vor und zurück, während mein Schädel zu zerspringen drohte. Ein Baby? Ein Baby? Ich schaffte es ja kaum, für mich selbst zu sorgen. Und wer war der Vater? Falls ich mich dazu entschloss, es zu bekommen, würde die Antwort bald auf der Hand liegen. Wenn ich es nicht behielt, bekam ich vielleicht nie wieder die Chance, schwanger zu werden. Ein Monat erschien mir mit einem Mal wie ein ganzes Leben. Hier saß ich also, schwanger und mit einer Vergangenheit, die ich selbst aus der Versenkung gehoben hatte.
    Wie in Trance ging ich durch das stinkende alte Camden Town und konnte nur staunen, dass mir noch nie aufgefallen war, wie viele Frauen einen Kinderwagen vor sich herschoben. Vielleicht hatte ich es nur unterschwellig wahrgenommen – dickärschige Frauen mit Kindern, die einem mit ihren überbreiten Kinderwagen und ihren Sprösslingen nur den Weg versperrten. Heute schien eine ganze Armee davon auf der Straße zu sein und mich zu provozieren: doppelsitzige Sportwagen mit hübschen Deckchen, unter denen winzige Füße herausragten, Fläschchen und Schnuller, prall gefüllte Taschen mit irgendwelchen Utensilien. Was war das? Ich sah mich um. Läden, die ich vorher nie bemerkt hatte und in denen es alles für die Kleinen gab: winzige Kleider und Schühchen, Wiegen, Betten und Stühle. Ich sah eine Frau mit einem so dicken Bauch auf mich zukommen, dass ich glaubte, eine ganze Fußballmannschaft verstecke sich unter ihrem Pullover. Dann bemerkte ich einen Bus an der Haltestelle und beobachtete, wie eine Frau versuchte, ihren Kinderwagen über die Stufe zu hieven. Ich sah, wie sie kämpfte, und beschleunigte meine Schritte. Wo hatten sich all diese Frauen bisher versteckt?
    Ich ging in den Regent’s Park und drehte meine Runden, bis mir auffiel, dass es dunkel wurde. Ich fühlte mich so, als befände ich mich nicht länger in meinem Körper, so als wäre mein Innerstes nach außen gekehrt worden. Meine hübsche kleine Theorie, dass alles einer Ordnung unterlag, war einfach so auf den Kopf gestellt worden. Am schwersten fiel mir die Erkenntnis, dass Nichtstun definitiv keine Alternative war.
    Ich setzte mich auf meine Lieblingsbank. Diese Schwangerschaft änderte alles. Das Elefantenpärchen kam nach draußen, um im schwindenden Licht des Tages zu schmusen. Diese selbstsüchtigen Angeber. Ich zündete mir eine Zigarette an. Wenn ich das Baby bekam, würde ich mit dem Rauchen aufhören müssen. Schon jetzt gab es Einschränkungen. Was zum Teufel sollte ich wegen dieses … Dings in meinem Bauch jetzt machen?
    Ich ging nach Hause. Ein leuchtend weißer Mond schien auf mich herab, als wäre alles in bester Ordnung. Dabei könnte mein Leben kaum weniger in Ordnung sein.
    Jemand saß auf der Treppe vor meinem Haus. Ich konnte die Gestalt schon aus einiger Entfernung ausmachen. Beim Gedanken, dass es Joe sein könnte, machte mein Herz einen kleinen Satz. Vielleicht hatte er mir ja verziehen. Dann fiel mir das Baby wieder ein. Hoffentlich war er es nicht.
    Als ich näher kam, erhob sich die Gestalt. Es war nicht Joe. Die Gestalt war viel zu klein.
    »Hallo?«, sagte ich.
    »Hallo.«
    Es war Megan. Wie erstarrt stand ich am Gartentor, während Tilly hinter ihr an der Tür kratzte.
    »Könnten wir uns unterhalten?«, fragte sie.
    Ich nickte, woraufhin sie beiseitetrat, damit ich die Haustür aufschließen konnte.
    Ich schaltete das Licht in der Diele ein und ging voran ins Wohnzimmer, während Tilly ihr gewohntes Willkommenstänzchen aufführte.
    Ich zog meine Jacke aus. Sie behielt ihre an, was kein gutes Zeichen war.
    »Ich weiß nicht, wie es mit dir aussieht, aber ich brauche jetzt ein Glas Wein«, sagte ich und ging in die Küche.
    »Nein, danke«, erwiderte sie und machte noch immer keine Anstalten, ihre Jacke auszuziehen.
    Ich schenkte mir ein Glas Rioja ein, kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo ich mich aufs Sofa setzte und mein Glas auf dem Couchtisch abstellte. Megan hatte mittlerweile auf dem antiken Sofa Platz genommen, unmittelbar neben dem dicken Fettfleck.
    »Joe ist weg, nur falls

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