So still die Toten
gezogen und besprochen, dass er diese Linie nicht überschreiten darf.« Der Kindergarten war Andys erste Erfahrung mit einer Betreuungseinrichtung. Während der letzten Wochen war er immer aus dem Gruppenraum gelaufen und durch den Gang gerannt, wenn er gerade Lust dazu hatte.
Malcolm lachte. »Und das hat funktioniert?«
»Er ist sehr stolz auf seine Linie. Er hat sie heute sogar seiner Mom gezeigt.«
Malcolm malte mit dem Daumen Kreise auf den Tisch. »Der kleine Kerl tut mir ein bisschen leid. Vor ihm liegt ein Leben angefüllt mit Regeln.«
Olivia heuchelte Traurigkeit. »Das sagt gerade der Richtige – der Mann, der sich mit keiner Regel anfreunden kann. Du bist schrecklich, was das Befolgen von Vorschriften angeht.«
»Ich befolge sie doch.«
»Ja, wenn du sie selbst aufgestellt hast.«
Malcolm zuckte die Schultern und wirkte kein bisschen schuldbewusst.
Die Kellnerin, eine Blondine mit munterem Gesichtsausdruck, kam an den Tisch und legte Speisekarten vor sie hin. »Kann ich euch schon was zu trinken bringen?«
Malcolm lehnte sich zurück. Nur zu gern hätte er ein Bier bestellt, er wusste jedoch, dass noch zu viel Arbeit vor ihm lag, als dass er sich diesen Luxus hätte erlauben können. »Kaffee.«
Olivia lächelte. »Weißwein.«
»Macht es dir etwas aus, wenn ich schon mal bestelle? Ich muss bald wieder zurück zur Arbeit«, sagte Malcolm.
Olivia blieb ganz ruhig und lächelte. »Nein, natürlich nicht.«
»Nummer sechs«, sagte er, ohne die Speisekarte aufzuschlagen. »Mit Senf.«
Olivia sah die Kellnerin an. »Für mich dasselbe.«
»Du magst doch gar kein rotes Fleisch«, wandte Malcolm ein.
»Oh, na ja, das habe ich davon, wenn ich die Dinge überstürze. Dann eben nur einen Salat.«
Malcolm sah der Kellnerin nach und blickte sich unwillkürlich nach Angie um. Sie kam oft zum Essen hierher. Aber heute Abend anscheinend nicht. Er spürte einen Stich der Enttäuschung.
»Du bist wohl öfter hier, als ich dachte«, meinte Olivia.
»Das Essen ist gut. Und du weißt doch, dass Garrison mit einem Mädchen zusammen ist, das hier arbeitet.« Es war ihm immer noch nicht ganz wohl dabei, Olivia in diesen Teil seines Lebens mit einzubeziehen.
Die Kellnerin kam zurück, brachte Malcolm seinen Kaffee und Olivia ihren Wein. Er trank einen Schluck und war froh, etwas zu tun zu haben. Ein Kollege hatte ihm ein Mal gesagt, in seinen Adern fließe Eiswasser. Im Moment wünschte er sich, es wäre tatsächlich so.
Olivia nippte an ihrem Wein. »Also, Malcolm, ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden.«
Genau das hatte ihm immer an ihr gefallen. »Klingt unheilvoll.«
»Eigentlich nicht. Es wird Zeit, dass wir reden.«
»Worüber?«
Mist. Das H-Wort.
Sie lehnte sich zurück und seufzte frustriert. »Ich habe einfach das Gefühl, wir würden mehr über deine Arbeit sprechen, wenn wir uns wirklich so nahestünden.«
»Ich will dich da raushalten. Meine Arbeit ist weder angenehm noch schön, und ich will das zwischen uns beiden nicht haben.«
»Aber es macht mir nichts aus, mir deine Probleme anzuhören.«
»Was nicht heißt, dass ich darüber reden möchte.«
Sie betrachtete ihn, als würde sie am liebsten seinen Schädel öffnen und in sein Gehirn schauen. »Worauf läuft das mit uns deiner Meinung nach hinaus?«
Inzwischen wünschte er sich, doch ein Bier bestellt zu haben. »Ich denke, wir bleiben langfristig zusammen.«
»Langfristig. Ist das ein anderer Ausdruck für: ›Ich denke, dass wir eines Tages heiraten werden‹?« Sie betonte jedes Wort, und er hatte den Verdacht, dass sie im gleichen Tonfall mit Andy gesprochen hatte, als sie die Linie an der Tür gezogen hatte.
Er begegnete ihrem Blick. »So weit habe ich noch nicht gedacht.«
»Nun, ich schon. Ich liebe dich, Malcolm. Das habe ich dir oft genug gesagt. Ich weiß, dass du kein Romantiker bist, deshalb habe ich mir keine allzu großen Sorgen darüber gemacht, dass du es mir nie sagst. Aber wir sind seit neun Monaten zusammen. Und ich kann mich noch gut an die Panik in deinen Augen erinnern, als ich vor zwei Wochen von Heirat gesprochen habe.«
Er zog die Augenbrauen hoch.
Sie legte die Handflächen auf den Tisch. »Neun Monate reichen mir, um zu wissen, dass ich eine Ehe will, Malcolm. Eine Familie, ein Zuhause. Ich will nicht einfach nur deine Freundin sein.«
Sein ganzer Körper verkrampfte sich. Er wollte dieses Gespräch genauso wenig führen wie beim letzten Mal. »Dein Timing ist ganz schlecht,
Weitere Kostenlose Bücher