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So unerreichbar nah

So unerreichbar nah

Titel: So unerreichbar nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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hatte
Lisa nichts von meinem Treffen mit Lucas erzählt. Warum, wusste ich auch nicht.
Ich würde es ihm überlassen, ob er es für erwähnenswert hielt. Es war ja nur
ein rein zufälliges kurzes Treffen gewesen, kein Date. Auch meinen Disput mit
Paul behielt ich für mich. Ein schlechtes Zeichen. Lisa und ich vertrauten uns
normalerweise alles an.
    Aber seit
Lucas aufgetaucht war, konnte ich nicht mehr unbefangen reagieren. Nicht bei
ihm, nicht bei meiner Freundin und auch bei meinem Liebsten nicht. Es war
verdammt anstrengend, ständig zu überlegen, wie man reagieren sollte, was man
wem erzählen konnte oder lieber für sich behielt.
    Lisa wedelte
mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum.
    »Tessa? Du
hast schon wieder diesen seltsamen Blick und stierst ins Leere. Erinnerst du
dich noch? Skifahren! Ich habe gefragt, ob ihr mitkommt.«
    Ich löste
mich verlegen lachend aus meinen Grübeleien.
    »Sorry, ich
bin ziemlich geplättet. Zumba war zwar toll, hat mir aber für heute den Rest
gegeben. Wegen Skifahren gebe ich dir Bescheid, wenn ich mit Paul gesprochen
habe.«
     
    Später, als
ich allein in meinem Bett lag, hielt mir meine Vernunft eine gewaltige
Standpauke.
    Das Letzte,
was du gebrauchen kannst, ist ein erneutes Zusammentreffen mit Lucas, vor allem
in Anwesenheit von Paul und Lisa. Sag unter irgendeinem Vorwand ab und sprich
dich mit Paul aus.
    Engelchen
hielt dagegen. Es zeigte mir Bilder, wie ich zusammen mit Lucas in eleganten Schwüngen
auf einer einsamen Skipiste über den in der Sonne glitzernden Pulverschnee
wedelte. Wie auf Kommando bremsten wir zur selben Zeit mit Schwung und kamen
zum Stehen. Der strahlendblaue, wolkenlose Himmel wölbte sich über uns. Nur die
uns umgebenden schneebedeckten Bergspitzen sahen zu, als wir uns verliebt
anstrahlten und dann hingebungsvoll küssten.
    Lisa und Paul
kamen in dieser Vision nicht vor.
    Du kannst
überhaupt nicht elegant schwingen geschweige denn wedeln!
    Das war
leider korrekt. Ich war eine ängstliche, ungeübte Skifahrerin. In meiner
Schulzeit hatte ich einen oder zwei Skikurse absolviert. Aber wegen der
mangelnden Fahrpraxis - vergangenes Jahr war ich nur ein Wochenende lang
zusammen mit Paul in Oberjoch Ski gefahren, wobei hauptsächlich er auf der
Piste gewesen war, während bei mir Apres-Ski im Vordergrund gestanden hatte -
konnte ich froh sein, wenn ich blaue und im Notfall rote Pisten einigermaßen
zufriedenstellend herunter kam. Von Eleganz und schnittiger Fahrweise war ich
weit entfernt. Lisa dagegen, die sich ihr Studium unter anderem als Skilehrerin
finanziert hatte, fuhr wie der Teufel persönlich. Das wusste ich von unseren
Schulskiausfahrten. Und Paul hatte zwar einen weniger eleganten Stil, fuhr aber
dafür sehr schnell und sicher.
    Lass es
sein! Du blamierst dich höllisch vor Lucas! Du setzt den gesamten guten
Eindruck, den er von dir gewonnen hat, aufs Spiel!
    Also
entschloss ich mich, Paul überhaupt nicht zu informieren und das Skifahren bei
Lisa unter irgendeinem plausiblen Vorwand abzusagen.
    Ich hatte die
Rechnung wieder ohne mein derzeit schlechtes Karma gemacht. Lucas war
mittlerweile Klient in Pauls Kanzlei geworden. Am folgenden Tag hatten die
beiden einen Termin und der gute Lucas hatte nichts Besseres zu tun, als Paul
von dem geplanten Skiausflug zu erzählen.
    Mein Freund
sagte unverzüglich für uns beide begeistert zu und bot zudem noch an, dass er
uns alle zusammen mit seinem geräumigen Wagen, der Allradantrieb besaß,
chauffieren könnte.

STAND  BY  ME
     
    Mit einem
mulmigen Gefühl im Bauch stand ich zusammen mit den anderen am Sessellift an. Wir
hatten uns für ein bekanntes Skigebiet in Österreich entschieden und nach knapp
zweistündiger Fahrt von München kommend Pauls Wagen am großen Parkplatz vor der
Liftstation abgestellt. Lisa und Paul wollten auf mindestens zweitausend Meter
hoch fahren, weil dort der bessere Schnee lag und es viele Abfahrten aller
Schwierigkeitsgrade zur Auswahl gab. In meinem schicken türkis-schwarzen
Skioverall, Skistiefeln und Skiern an den Füßen war ich für meine Fahrkünste
völlig overdressed und kam mir wie eine Hochstaplerin vor. Ein völlig
schneeweißes Outfit zur Tarnung wäre sehr viel vorteilhafter gewesen…
    Mir war nicht
wohl, da ich nicht wusste, was mich dort oben an Pisten erwartete. Am liebsten wäre
ich für den Anfang hier unten geblieben, wo ein kleiner Schlepplift an einen
gemütlich ansteigenden Hang die weniger geübten Skifahrer ein paar hundert
Meter nach

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